„Deutsch als Zweit- und Fremdsprache“
Call: Sprachförderlicher FachunterrichtAnsatzpunkte und Desiderata für eine gesprächsanalytisch basierte transdisziplinäre Hochschullehre
15. Februar 2021, von Webredaktion SLM
66. Arbeitskreis Angewandte Gesprächsforschung – 28./29.5.2021 in Hamburg
(Einreichungen noch bis zum 26.02.2021 möglich, weitere Informationen s. u.)
Was ist aus gesprächsanalytischer Sicht ein „sprachförderlicher Fachunterricht“? Was ist sein Unterschied zu „herkömmlichem“ Fachunterricht? Was für Konzepte sprachförderlichen Fachunterrichts gibt es? Was für ein Wissen über Sprache und Sprachwissenschaft sind für seine Konzeption aus gesprächsanalytischer Sicht erforderlich? Was für Konzepte in der Hochschullehre sind vorhanden, um zukünftige Lehrer*innen auch nicht-philologischer Fächer auf einen im Sinne der Gesprächsanalyse sprachförderlichen Unterricht vorzubereiten?
Dieser Katalog ließe sich in vielerlei Hinsicht komplettieren bzw. erweitern. Als eine Art ‚aktuelle Liste‘, die realen Gesprächen im Kontext der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ entstammt, mag sie stellvertretend für Aspekte einer transdisziplinären Diskussion zwischen angewandter Gesprächsforschung und Vertreter*innen unterschiedlicher Unterrichtsfächer und Fachdidaktiken stehen.
Auch wenn sich Fragen nach der Konzeption und Gestaltung eines sprachförderlichen Fachunterrichts mit Blick auf den Stellenwert von Sprache und sprachlicher Interaktion in der schulischen Wissensvermittlung bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen lassen (bspw. Bernstein 1964, 1971, Habermas 1977, Cummins 1979), steht gegenwärtig eine konsequent gesprächsanalytisch orientierte Betrachtung der sprachlichen Anforderungen und Realisierungsformen sprachförderlichen Fachunterrichts noch aus (vgl. Morek & Heller 2012, Heller & Morek 2019). Dies mag daran liegen, dass es eventuell einer kritischen Reflexion bestehender Kategorien bedarf, um auch noch nicht erfassten Charakteristika des Forschungsfeldes gewahr zu werden. So erscheint uns beispielsweise noch nicht hinreichend geklärt, was übergreifend über Fächergrenzen hinweg als Gemeinsamkeiten in den sprachlichen Anforderungen des Fachunterrichts verstanden werden kann. Damit verbunden tut sich die Frage auf, inwieweit bestimmte Gegenstände der Fächer für Spezifizierungen der sprachlichen Anforderungen des Unterrichts sorgen. Inwiefern Konzepte wie etwa Bildungssprache (Gogolin) oder Bildungs-/Lehr- und Schulsprache (Feilke) diese Fragen bereits behandeln bzw. für ihre Beantwortung taugen, ist eine Frage, die gegenwärtig – vielleicht auch mit Blick auf den Erfolgsdruck des deutschen Bildungssystems nach den Pisa-Schocks – nicht in allen notwendigen Konsequenzen diskutiert werden: So mag es sein, dass die existierenden Konzepte der ‚Bildungssprache‘ oder des ‚Scaffolding‘ (Gibbons) noch einmal mit Blick auf die gesprächsanalytische Betrachtung von Unterrichtskommunikation zu überdenken sind. Dies gilt zum einem mit Blick auf den ‚Bestand‘ bildungssprachlichen Inventars, der keineswegs allein auf die Verwendung in der Schule oder anderen Bildungskontexten beschränkt ist, und von daher vor allem in seinen Potenzialen für unterschiedliche Typen von sprachlicher Interaktion zu profilieren wäre. Zum andern stellt sich aus gesprächsanalytischer Sicht die Frage, ob es nicht spezifische Anforderungen an das sprachliche Handeln in der Schule gibt, die mit den genannten Beschreibungstermini nicht erfasst werden, nämlich bspw. ein Wissen um schulische Handlungsformen und Praktiken.
Beiträge
Mit den angesprochenen Fragen, die keineswegs als eine bereits abgeschlossene Liste zu verstehen sind, möchten wir für das Treffen des Arbeitskreises Angewandte Gesprächsforschung 28./29.5.2021 in Hamburg um Beiträge bitten, in deren Mittelpunkt gesprächsanalytische Untersuchungen von Aspekten des sprachförderlichen Fachunterrichts stehen. Willkommen sind:
- „klassische“ Vorträge (20 bis 30 Min.),
- Vorträge mit Daten-Präsentation (mind. 30 Min.),
- Berichte aus der schulischen Praxis oder Vorstellungen eines Konzepts für die schulische (oder hochschulische) Lehre (15 bis 45 Minuten).
Außerdem planen wir eine längere Datensitzung zu den oben aufgeworfenen Fragen und freuen uns über die Zurverfügungstellung geeigneter Daten (bspw. Transkripte authentischer Unterrichtskommunikation).
Bitte reichen Sie Vorschläge für Vorträge, Vorträge mit Daten-Präsentation sowie Berichte in Form eines Abstracts (max. 500 Wörter) per Mail (AAG.uhh@uni-hamburg.de) bis zum 26.02.2021 ein. Wenn Sie Transkripte für Datensitzungen zur Verfügung stellen wollen, bitten wir darum, dass diese ebenfalls bis zum 26.02.2021 per Mail zusammen mit einer aussagekräftigen Konstellationsbeschreibung eingereicht werden.
Den Call sowie weitere Informationen zum AAG finden Sie auf der Homepage des AAG:
http://www.linse.uni-due.de/aag.html
Nachfragen richten Sie bitte an: AAG.uhh"AT"uni-hamburg.de
Kristin Bührig und Gesa Lehmann (Universität Hamburg)
Literatur
Bernstein, B. (1964) Elaborated and Restricted Codes: Their Social Origins and Some Conse- quences. In: American Anthropologist, 66 (6, pt. 2): 55–69.
Bernstein, B. (1971) Class, Codes and Control: Vol 1. Theoretical studies towards a sociology of language. London: Routledge.
Cummins, J. (1979) Cognitive/academic language proficiency, linguistic interdependence, the optimum age question and some other matters. In: Working Papers on Bilingualism, 19: 198–205.
Feilke, H. (2012) Bildungssprachliche Kompetenzen – fördern und entwickeln. In: Praxis Deutsch, 233: 4–13.
Gibbons, P. (2002) Scaffolding Language, Scaffolding Learning. Teaching Second Language Learners in the Mainstream Classroom. Portsmouth, NH: Heinemann.
Gogolin, I. (2007) Herausforderung Bildungssprache. Textkompetenz aus der Perspektive Inter- kultureller Bildungsforschung. In: K.-R. Bausch, E. Burwitz-Melzer & F. G. Königs (Hrsg.) Textkompetenzen. Tübingen: Narr, 73–80.
Gogolin, I. & Lange, I. (2010) Bildungssprache und Durchgängige Sprachbildung. In: S. Fürstenau & M. Gomolla (Hrsg.) Migration und schulischer Wandel: Mehrsprachigkeit. Wiesbaden: VS-Verlag, 69–87.
Habermas, J. (1977) Umgangssprache, Wissenschaftssprache, Bildungssprache. In: Max-Planck- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Hg.) Jahrbuch. Göttingen, 36–51.
Heller, V. & Morek, M. (2019) „achliches und sprachliches Lernen durch Diskurs(erwerbs)orien- tierte Unterrichtsgespräche. Empirische Evidenzen und Desiderate mit Blick auf inklusive Settings. In: Didaktik Deutsch 24 (46): 102–21.
Morek, Miriam & Heller, V. (2012) Bildungssprache ‒ Kommunikative, epistemische, soziale und interaktive Aspekte ihres Gebrauchs. In: Zeitschrift für angewandte Linguistik 57 (1).