Kino-Öffentlichkeit in Hamburg 1895–1932
Antragsteller: Prof. em. Dr. Harro Segeberg
Bearbeitung: Prof. em. Dr. Harro Segeberg und PD Dr. Corinna Müller
Förderung: DFG, 2002 bis 2005
Projektbeschreibung
Das Ziel des Projektes ist es, am Beispiel Hamburgs die Herausbildung und die Entwicklung einer Kino-Öffentlichkeit in der Wechselwirkung mit anderen kulturellen Teil-Öffentlichkeiten zu untersuchen. In drei Richtungen soll ermittelt werden, wo, wie und seit wann das Kino Formen von Öffentlichkeit aufbaut, welche topographische Ausdehnung und Konsistenz diese ersten Kino-Öffentlichkeiten beanspruchen können, wie sie in andere, jeweils genauer zu bestimmende Öffentlichkeiten (wie zum Beispiel die Presse-Öffentlichkeit) im Sinne eines kulturell neuen Leit-Mediums hineinwirken und wie sich aus den genannten Teilprozessen die Gesamtheit einer neuen massenmedial verfassten Kino-Öffentlichkeit herausbildet. Die Strukturen dieser massenmedialen Öffentlichkeitsbildung sollen anhand eines überschaubaren regionalen Modells exemplarisch erhellt und im Hinblik auf künftige Medienentwicklungen (wie Hörfunk und Fernsehen) bestimmt werden.
Projektergebnisse
Die Ziele und Arbeitsvorhabens des Projekts richteten sich darauf, Arbeiten zur Entstehung und Etablierung einer Kinoöffentlichkeit in Hamburg für die Jahre nach 1918 fortzuführen. Um dies zu gewährleisten, wurde das in der ersten Projektphase entwickelte Modell einer Kinoöffentlichkeit aufgenommen und weiterentwickelt. Die Entwicklung der Kinoöffentlichkeit wurde insofern nach wie vor anhand der Faktoren Topographie, Programmstruktur und Publikumsresonanz des Kinos ermittelt. Als Ergebnis der Recherchen hat sich gezeigt, dass sich in der Entwicklung der Kinoöffentlichkeit nach 1918 zwei auf den ersten Blick ebenso auffällige wie gegenläufige Tendenzen erkennen lassen.
Die erste Entwicklungsrichtung besteht darin, dass das Kino in Kinoanzeigen, Kinowerbung und Kinoschriften die Instanzen seiner eigenen Öffentlichkeit expansiv ausbaut und mit Filmkritik und Filmbesprechung mit wachsender Akzeptanz in das Gesamtensemble einer Medienöffentlichkeit aus Tages- Presse, Kino und Hörfunk hineinwirkt.
Die zweite Entwicklungsrichtung lässt eine interne Segmentierung und Diversifikation innerhalb dieser Kinoöffentlichkeit erkennen, wofür vor allem die zunehmende Ausdifferenzierung eines auf unterschiedliche Publikumsansprüche reagierenden Filmangebots verantwortlich zeichnet. Dies Filmangebot umfasst die nach kultureller Nobilitierung drängenden Groß- und Langfilme vom Typus Faust (1926) oder Metropolis (1927), die nach wie vor auf Unterhaltung ausgerichteten Mittelproduktion eines technisch anspruchsvollen Unterhaltungsfilms (wie z.B. Varieté 1925) sowie die ökonomisch erfolgreiche B-Produktion von Militärklamotten, Detektivfilmen oder exotischen Tierfilmen (gedreht unter anderem im Hamburger Tierpark Hagenbeck).
Fasst man alle Ergebnisse zusammen, so bestätigen sie die Annahme eines vor allem in der Hochzeit des Stummfilms in Hoch- wie Unterhaltungskultur nach Dominanz strebenden Mediums Kino. Allerdings zeigen unsere Recherchen auch, dass die künstlerischen, technischen und kommerziellen Erfolge dieses Kinos durch die von niemandem so vorhergesehene schnelle Einführung des kostenintensiven Tonfilms in den Jahren 1929/30 retardiert wurden und erst um 1932 erneut stabilisiert werden konnten.