Geschichte
Vorgeschichte und Gründung des Instituts
Die slavistische Arbeit in Hamburg reicht weit in die Zeit vor der Gründung der Universität Hamburg im Jahr 1919 zurück. Das Interesse an slavistischer Forschung war in für die Handelsstadt Hamburg typischer Weise durch Schifffahrts- und Handelsbeziehungen motiviert. 1914 wurde im vier Jahre zuvor gegründeten Kolonialinstitut die erste Professur für die Kultur und Geschichte Russlands eingerichtet. Als 1919 die Universität Hamburg gegründet wurde, war auch das Osteuropäische Seminar sofort etabliert. Die Anfangsjahre der Hamburger Slavistik sind mit den Namen Richard Salomon, der die erste Professur am Kolonialinstitut innegehabt hatte, Fritz T. Epstein und Eberhard Tangl verbunden.
Die nationalsozialistische Machtübernahme hatte für die Hamburger Slavistik gravierende Folgen. Salomon musste emigrieren, seine Professur wurde zugunsten einer Professur für Wehrkunde eingespart. Tangl sah sich gezwungen, seine wissenschaftliche Laufbahn zu beenden. Das Osteuropäische Seminar, das ursprünglich mit zur Slavistik gehört hatte und noch von Salomon mitgegründet worden war, wurde dem Historischen Seminar zugeschlagen. Diese Regelung blieb auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten und brachte eine dauerhafte Trennung der Slavistik von der osteuropäischen Geschichte mit sich.
Nachkriegszeit bis Jahrtausendwende
1946 wurde das Slavische Seminar wiedereröffnet. Friedrich Wilhelm Neumann und Vsevolod Setchkareff, die für die Neubegründung der Slavistik in Hamburg standen, sahen die Slavistik nun nicht mehr ausschließlich als Teilgebiet einer kulturgeschichtlich orientierten Beschäftigung mit Osteuropa, sondern als eigenständige moderne Philologie, wie etwa die Anglistik oder die Romanistik. Neumann war dabei eher kulturwissenschaftlich orientiert, während Setchkareffs Bemühungen vor allem dahin gingen, das Russische als Schulsprache zu etablieren und sich für eine Zulassung des Russischen im Gymnasial- und Lehramtsexamen einzusetzen, was auch gelang. Nach Setchkareffs Weggang nach Harvard und Neumanns Pensionierung wirkten am Slavischen Seminar weitere bis heute bekannte Wissenschaftler wie etwa Johannes Schröpfer und Dietrich Gerhardt.. In den 1970er und frühen 1980er Jahren wurden mit Wolf Schmid und Daniel Weiss jene Professoren berufen, die die Hamburger Slavistik lange Zeit prägten und u.a. Schwerpunkte im Bereich der Narratologie und funktionalen Linguistik setzten. Nach Daniel Weiss’ Weggang nach München (später nach Zürich) trat Volkmar Lehmann 1991 seine Nachfolge an und profilierte die Hamburger slavistische Linguistik vor allem durch seine Beiträge zur Aspektforschung. Die guten Kontakte zu den Universitäten in Hamburger Partnerstädten Prag und Leningrad/St. Petersburg, aber auch anderen Partneruniversitäten wie Warschau oder Belgrad, die in dieser Zeit geknüpft wurden, prägen seither das akademische Leben am Institut für Slavistik
Gegenwart
1997 wurde Robert Hodel auf eine Professur für polonistische und südslavistische Literaturwissenschaft berufen. Nach dem Weggang Peter Hills, der die südslavistische Sprachwissenschaft vertreten hatte, wurde 2006 eine sprachwissenschaftliche Juniorprofessur für Westslavistik/Polonistik und Südslavistik, die später um eine weitere Slavine erweitert wurde, eingerichtet. Nach der Emeritierung Volkmar Lehmanns übernahm Marion Krause 2010 den Lehrstuhl für Slavistische Linguistik. 2011 trat Anja Tippner die Nachfolge von Wolf Schmid auf dem Lehrstuhl für slavistische Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Russistik und Westslavistik an. Durch diese Berufungen hat sich das Profil des Instituts verändert und neue Themen und Methoden haben Eingang in die Lehre und Forschung am Institut gefunden.
Heute bilden in der Literaturwissenschaft neben der Narratologie, die weiterhin von Robert Hodel vertreten wird, Formen auto/biographischen Schreibens, Repräsentationen der Shoah und jüdische Literatur aus Mittelosteuropa weitere Schwerpunkte, die durch Anja Tippner repräsentiert werden. In der Linguistik wird die funktionale Perspektive in Forschungen zu Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt, Sprachsituationen und Spracheinstellungen, Grammatikalisierung und sprachlicher Interaktion durch Marion Krause fortgeführt und durch eine Orientierung auf die Analyse gesprochener Sprache erweitert. Profilbildend für das Hamburger Institut ist, dass alle drei Bereiche der Slavistik – Ostslavistik, Westslavistik und Südslavistik – durch literatur- und sprachwissenschaftliche Forschungsprojekte vertreten sind.