Prof. Dr. Gunter Presch †2020
Professor im Ruhestand
Linguistik des Deutschen
Anschrift
Schwerpunkte
- Sprachliches Handeln in Konfliktfeldern
Das Institut für Germanistik trauert um Prof. Dr. Gunter Presch, der im Alter von 81 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben ist. In der Zeit von 1978 bis 2004 lehrte Gunter Presch als Professor für Linguistik des Deutschen an der Universität Hamburg. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden und Freudinnen.
Einen wissenschaftlichen Nachruf hat Prof. Dr. Martin Baisch verfasst.
Prof. Dr. Martin Baisch (als geschäftsführender Direktor des Instituts für Germanistik)
Werdegang
Studium der Germanistik und Geschichte an den Universitäten Frankfurt/M., Marburg und an der Freien Universität Berlin. Promotion an der Universität Konstanz;
1970 - 1974 wissenschaftl. Angestellter am Sonderforschungsbereich Bildungsforschung der Universität Konstanz;
1974 - 1978 Akademischer Rat/Oberrat an der Gesamthochschule Siegen;
ab 1978 Professor für Linguistik des Deutschen an der Universität Hamburg
Biographisches: geb. 1939 in Arnstadt/Thüringen
Schwerpunkte
- Sprachliches Handeln in Konfliktfeldern
Argumentationsskizze zu meinen Arbeiten:
Grundlage: Handlungstheoretisch-pragmalinguistischer Ansatz. Berücksichtigung hereronomer, d.i. widersprüchlicher Handlungsbedingungen. Aufgabe reiner Konsensmodelle und der Homogenitätsannahme auch in der Pragmalinguistik.
Grundlagentheorie: Interferenzkonzept. Im sprachlichen Handeln können sich widerstreitende Kräfte überlagern.
Empirie: Untersuchung von Arbeitszeugnissen als Texten in einer gesellschaftlichen Konfliktzone. Der nur in einem Scheinkompromiß gelöste Konflikt zwischen Wohlwollen und Auslese-Information schlägt auf die Textsorte als Doppeldeutigkeit durch.
Weitere Erklärungsebene: die bisherige synchronische und funktionale Erkärungsebene muß ergänzt werden durch die Frage: Wie sind die bearbeiteten Widersprüche entstanden? Die diachronische historisch-genetische Ebene als der Versuch, eine historische Pragmalinguistik zu begründen.
Theoretische Weiterentwicklung. Ausweitung der Empirie: Auch Eigennamen als sprachliche Teilakte können Widersprüche binden. In 'gebrochene Namen' können jahrhundertealte Konflikte einwandern.
Publikationen
- Syntaktische Diskontinuität. Linearität als grammatisches Prinzip und als Problem sprachlicher Rezeption. Hildesheim 1977.
- Hg. zusammen mit Klaus Gloy: Sprachnormen II. Theoretische Begründungen - außerschulische Sprachnormenpraxis. Stuttgart 1976.
- Hg. zusammen mit Klaus Groy: Sprachnormen III. Kommunikationsorientierte Linguistik - Sprachdidaktik. Stuttgart 1976.
- Hg. zusammen mit Josef Klein: Institutionen - Konflikte - Sprache. Arbeiten zur linguistischen Pragmatik. Tübingen 1981.
- Namen in Konfliktfeldern. Wie Widersprüche in Eigennamen einwandern. Tübingen 2001.
Interferenzkonzept
Presch, G. 1985: Ein Vorschlag zur Erklärung von Problemen bei der Interpretation und Produktion mehrfachinterpretierbarer Texte: Textfunktionen, Mehrfachadressiertheit und die Verschiedenartigkeit von Wissensbeständen. In: Kokemohr, R. / Marotzki, W. (Hg.): Interaktionsanalyse in pädagogischer Absicht, Frankfurt/M. S. 71-113.
Widersprüche zwischen Textfunktion als ein Ausgangspunkt sozialgeschichtlicher Pragmalinguistik. In: Busse, D. (Hg.): Diachrone Semantik und Pragmatik. Untersuchungen zur Erklärung und Beschreibung des Sprachwandels, Tübingen, S. 83-115.
Untersuchung von Arbeitszeugnissen
Presch, G. 1985: Verdeckte Beurteilungen in qualifizierten Arbeitszeugnissen. Beschreibung, Erklärung, Änderungsvorschläge. In: Januschek, F. (Hg.): Politische Sprachwissenschaft. Zur Analyse von Sprache als kultureller Praxis, Opladen, S. 307-360.
Presch, G. / Ellerbrock, J / Michallik, H. 1985: Die Beurteilung von Personen in Arbeitszeugnissen. In: Praxis Deutsch, Heft 74, S. 42-47.
Presch, G. 1991: Arbeitszeugnisse: Schwierigkeiten beim Lesen und beim Schreiben. Kurzinformation, Hamburg.
Presch, G. 1997: Verdeckte Beurteilungen in Arbeitszeugnissen: Ein Streitfall vor Gericht nebst Anhang mit historischen Dokumenten. In: Barz, Irmhild / Fix, Jutta (Hg.). Deutsch-deutsche Kommunikationserfahrungen im arbeitsweltlichen Alltag (=Sprache - Literatur und Geschichte, Studien zur Linguistik/Germanistik Bd. 16) S. 315-338.
Historische Pragmalinguistik
Presch, G. 1981: Zur Begründung einer historischen Pragmalinguistik. In: Klein, J. / Presch, G.: Institutionen - Konflikte - Sprache. Arbeiten zur linguistischen Pragmatik, Tübingen, S. 206-238.
Namen
Presch, G. 2001: Namen in Konfliktfeldern. Wie Widersprüche in Eigennamen einwandern. Tübinger Beiträge zur Linguistik 460, ca. 120 Seiten, ca. DM 39,80; ISBN 3-8233-5126-5
Im Mittelpunkt der Studie steht die Frage, wie der Gebrauch von Eigennamen und Geschichte zusammenhängen. Zentrale These ist, dass Konflikte aus der Vorgeschichte des Namensgebungsaktes in Namen einwandern können und in ihrer Struktur erkennbar sind. Dies wird am Beispiel von Orts-, Staats- und Papstnamen illustriert. Eigennamen werden als bifunktional bestimmt: Sie identifizieren nicht nur, sie individualisieren zugleich. Für Eigennamen ist charakteristisch dass sie insofern Bedeutung haben, als sie mit einzigartigen Merkmalen und Geschichten verbunden sind. Dabei ist weniger entscheidend, ob dieses Wissen tatsächlich zutrifft, als vielmehr, dass es als sozial geteilt vorausgesetzt wird. In dieses Wissen können Widersprüche einwandern und es ändert sich, wenn individuelle Merkmale kollektiv vergessen werden und neue hinzukommen. Abschließend zeigt die Studie, dass auch in literarischenTexten gebrochene Namen eine motivische Funktion erhalten können.
Und außerdem:
Presch, Gunter (1977): ich schiebe reklame. in: univers, literarische zeitschrift. konstanz s. 84-86.