Aktuelle Promotionsprojekte
Melanie Andresen: Stilistische Variation in der deutschen Wissenschaftssprache
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich die stilistische Variation in der deutschen Wissenschaftssprache mit besonderem Fokus auf Variation innerhalb einer Disziplin oder zwischen eng verwandten Disziplinen. Zu diesem Zweck erstelle und analysiere ich ein Korpus aus linguistischen und literaturwissenschaftlichen Dissertationen. Die Analyse erfolgt zunächst stark datengeleitet durch N-Gramm-Analysen auf Ebene von Wortformen und Wortarten-Tags. Ziel ist eine quantitativ begründete Typologie wissenschaftlicher Schreibstile, die für die Instruktion von Lernenden der deutschen Wissenschaftssprache genutzt werden kann.
- Betreuung: Prof. Dr. Heike Zinsmeister
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: Melanie.Andresen"AT"uni-hamburg.de
Ewelina Benbenek: Widerständige Poetik des Postmigrantischen in Theatertexten des 21. Jahrhunderts
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik, Neuere deutsche Literatur/Theaterforschung
Anne Benteler: Sprache im Exil. Mehrsprachigkeit und Übersetzung als literarische Verfahren bei Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh
Das Promotionsprojekt untersucht Sprachkonstellationen in der Literatur des Exils seit 1933 aus NS-Deutschland und dessen Nachleben. Der Analysefokus liegt dabei auf Formen mehrsprachigen Schreibens und Übersetzungen in den Texten von Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh. Im Zuge zahlreicher neuer Impulse in der Exilliteraturforschung ist der Aspekt der Sprache immer noch erstaunlich wenig erforscht, wenngleich es sich um ein seit langem wiederholt formuliertes Desiderat handelt. Das Forschungsvorhaben will dessen Bearbeitung vorantreiben, indem es sich auf Konzepte von Muttersprache und Nationalsprache, Textphänomene wie Code-Switchings, Sprachmischungen sowie Formen von Übersetzung richtet. Forschungsleitend ist die Frage nach literarischen Entwürfen von Translingualität, Transkulturalität und Transnationalität durch mehrsprachige Schreibweisen. Methoden der Literaturwissenschaft und Mehrsprachigkeitsforschung werden dazu um Perspektiven der Übersetzungs- und Kulturtheorie erweitert. Ziel ist es, anhand des zu untersuchenden Textkorpus literarische Charakteristika des Exils aus NS-Deutschland und dessen Nachleben jenseits national(philologisch)er Festschreibungen herauszuarbeiten und Analysekategorien zu entwickeln, die eine vergleichende Betrachtung ermöglichen.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff und Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Landesgraduiertenförderung Hamburg (HmbNFG) (2014-2016), Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften (2016-2017)
- E-Mail: anne.benteler"AT"studium.uni-hamburg.de
Babette Bernhardt: Die chinesische Literatur in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
Die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Volksrepublik China begannen im Jahr 1949 und waren geprägt von weitgehender ideologischer Übereinstimmung, politischer Sympathie und Solidarität. Ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Beziehungen war der Austausch von Literatur, als eine der wichtigsten Vermittlungsinstanzen der chinesischen Kultur in Ostdeutschland - ein bisher weitgehend unbeachteter Aspekt der bilateralen Zusammenarbeit. Vor dem Hintergrund, dass literarische Übersetzungen immer das Ergebnis politisch-ökonomischer und soziokultureller Prozesse sind, folgt die Erforschung der chinesischen Belletristik in der DDR einem transdisziplinären Ansatz. Im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts steht die Analyse der historischen Rahmenbedingungen und ihrem Einfluss auf die Publikations- und Übersetzungsprozesse. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf den ÜbersetzerInnen aus dem Chinesischen, über deren Leben und Wirken bis heute nur wenig bekannt ist. So ist es das Ziel, einen umfassenden Überblick über die Geschichte der chinesischen Literatur in der DDR zu geben. Diese Zusammenschau soll nicht nur zu einem erweiterten Verständnis der Beziehungen zwischen der DDR und der VR China beitragen, sondern auch die Rolle von Literatur und Translation in sozio-politischen Kontexten im Allgemeinen und in den ostdeutsch-chinesischen Beziehungen im Speziellen in den Fokus der Betrachtungen rücken. Zudem sollen Aspekte der Translationspolitik- und kultur anhand der Chinesisch-ÜbersetzerInnen beispielhaft untersucht werden, um das noch unvollständige Bild der LiteraturübersetzerInnen im politischen und kulturellen System der DDR zu ergänzen.
- Betreuer: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Seit 2017 Stipendiatin im Doktorandenkolleg China in Europe, Europe in China: Past and Present, Graduiertenschule Geisteswissenschaften
- E-Mail: babette.bernhardt"AT"studium.uni-hamburg.de
Jingjing Bi: Image Hafenstadt. Die Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai (1986 - 2016) im Licht auswärtiger Kulturpolitik (Arbeitstitel)
Die ‚kulturelle Soft Power‘ ist nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor eines Landes, sondern bestimmt auch dessen Außenwahrnehmung und internationale Attraktivität. Kulturaustausch spielt eine erhebliche Rolle für internationale Kooperationen und die Verbesserung der Auslandsbeziehungen. Somit gewinnt international ausgerichtete Kulturpolitik als fester Bestandteil der Außenpolitik immer mehr an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund soll die 1986 geschlossene Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Shanghai als Mittel kultureller Diplomatie untersucht werden. Die nunmehr 30-jährige Städtepartnerschaft zwischen der chinesischen Hafenstadt Shanghai und der deutschen Hafenstadt Hamburg blickt auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur, Bildung und Tourismus zurück. Im Hinblick auf die Entwicklung der auswärtigen Kulturpolitik beider Ländern wird anhand zahlreicher Texte untersucht, auf welche Weise Hamburg und Shanghai ihren Kulturaustausch durchgeführt haben, und wie die beiden Metropolen dabei ihr jeweiliges Image als Hafenstädte gestalteten. Insbesondere wird anhand von Informations- und Werbetexten, aber auch literarischen Beispielen herausgearbeitet, welche Vorurteile oder Stereotypen und welche Ansätze zur interkulturellen Verständigung dabei Einsatz fanden.
- Betreuerin: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Jingjing Bi von der East China Normal University Shanghai/China ist seit 2016 Stipendiatin des China Scholarship Council (CSC) an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: Jingjing.Bi"AT"studium.uni-hamburg.de
Dr. Dennis Bock: Literarische Störungen in Texten über die Shoah. Imre Kertész, Liana Millu, Ruth Klüger
Die Texte der Shoah-Überlebenden Imre Kertész, Ruth Klüger und Liana Millu stören. Als untersuchungsleitende These entfaltet diese Aussage bereits selbst ein gewisses Irritationspotenzial. Dies ergibt sich aus dem Begriff der Störung, dessen alltagssprachliche Rezeption und Verwendung eine vorwiegend negative Konnotation besitzt. Entgegen der gewöhnlichen Inanspruchnahme des Begriffs wird Störung in der Dissertationsschrift einerseits als erkenntisförderndes literarisches Verfahren andererseits als handlungstheoretische Analysekategorie verstanden. Demzufolge liegen Theorie und Analyse jeweils eigene Fragestellungen zugrunde, die sich an einem gemeinsamen, übergeordneten Erkenntnisinteresse orientieren: Es geht um die analytische Erschließung und (Neu-)Interpretation von Imre Kertész' „Roman eines Schicksallosen“, Ruth Klügers „weiter leben – Eine Jugend“ und Liana Millus „Der Rauch über Birkenau“ im Kontext literarischer Störungen und damit zugleich um die Entwicklung eines textanalytischen Ansatzes, der die störinduzierten Einzelaspekte mithilfe eines fundierten theoretischen Unterbaus als literarisches Verfahren verdeutlicht. Insgesamt wird mit der Studie erstmalig der Versuch unternommen, das Irritierende und Provozierende der Texte, auf das die Forschung vereinzelt durchaus hingewiesen hat, nicht lediglich als einen ihrer Aspekte zu behandeln, sondern das Störpotenzial dieser Texte in systematischer Weise als ihren zentralen Ausgangs- und Fluchtpunkt herauszustellen. Vor dem Hintergrund der negativen Konnotation von Störung und der eingangs formulierten untersuchungsleitenden These sucht die Arbeit letztlich einen Beitrag zur Ent- und Neukontextualisierung des Begriffs zu leisten, Störung mithin als produktives Moment literarischer sprachlicher Handlungen zu begründen.
- Betreuung: PD Dr. Bernd Stenzig (Erstgutachten), Prof. Dr. Ortrud Gutjahr (Zweitgutachten)
- Zuordnung/Förderung: Seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: dennis.bock"AT"uni-hamburg.de
Xenia Boe: Kuriose Geschichten aus aller Welt in deutschen Nachrichtenmedien: Zusammenhänge zwischen Thema, Handlung und Narrativität
In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich, welche Themen und Handlungen Geschichten erzählenswert machen, wie Thema und Handlung dabei miteinander korrelieren und das Sensationspotential einer Geschichte generieren und inwiefern sich dieses Sensationspotential schließlich auf die narrative Präsentation der Geschichte auswirkt. Für meine Arbeit habe ich Erzählungen aus deutschen Nachrichtenmedien ausgewählt, die zur kurzweiligen Unterhaltung eines breiten Lesepublikums konzipiert werden und deshalb stärker als literarisch ambitionierte Texte im deutschen Kulturraum gültige Erzählkonventionen widerspiegeln. Hinsichtlich der Handlungsorte gehen die Geschichten allerdings weit über unseren Kulturraum hinaus – nicht zuletzt möchte ich auch herausfinden, ob und inwiefern sich die Geschichten mit deutschem Handlungsort von denen mit einem ausländischen Handlungsort hinsichtlich Thema, Handlung und Erzählweise unterscheiden. Miteinander gemein haben alle Geschichten in meinem Korpus, dass sie in Rubriken publiziert wurden, die sich dem Kuriosen widmen. Publikationsunabhängig scheinen Kuriosa überwiegend nach den gleichen, vermutlich sogar universellen Prinzipien zu funktionieren. Das kommt nicht nur meinem Forschungsinteresse an Universalien des Erzählens entgegen – es hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass mir bei der Arbeit an meiner Dissertation das Lachen nicht so schnell vergeht.
- Betreuung: Prof. Dr. Jan Christoph Meister
- Zuordnung/Förderung: -
- E-Mail: xenia.boe"AT"uni-hamburg.de
Julia Boog: ANDERSSPRECHEN. Vom Witz der Differenz in den Werken von Emine Sevgi Özdamar, Felicitas Hoppe und Yōko Tawada
Das Dissertationsprojekt setzt sich mit dem Witz als Poetik der Differenz in interkulturellen Texten auseinander. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass es ein verbindendes poetologisches Element in den Werken von Yōko Tawada, Felicitas Hoppe und Emine Sevgi Özdamar gibt, die auch die Hamburger Gastprofessur für Interkulturelle Poetik innehatten. Dieses kann als „Anderssprechen” bzw. „Witz der Differenz” bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das vereinfachende Zuschreibungen gegenüber einem fremden sowie weiblichen Schreiben unterläuft: Über gewitzte Erzählbrüche wird ein kompliziertes, metanarratives Spiel mit dem Leser eingesetzt, das sowohl die Grenzen von Autorschaft und Autobiographie als auch von Rezeption und Produktion auslotet – Kategorien, die einen besonderen Stellenwert innerhalb der interkulturellen Germanistik haben.
Zur Analyse der Werke wird vor allem Rücksicht auf die psychoanalytische Witz-Theorie von Sigmund Freud genommen und diese um erzähltheoretische Aspekte erweitert. Im Gegensatz zu vielen Komik-Forschern unternimmt Freud eine umfassende Untersuchung der sprachlichen Techniken von Witzen sowie der Rolle des Dritten innerhalb der Witz-Kommunikation. Seine Erkenntnisse fließen als Instrumente in die Literaturanalysen ein und werden mit interkulturellen Stilmitteln wie Mimikry, Maskerade und Übersetzung verbunden.
Zudem scheidet Freud den Witz deutlich von Komik und Humor, was eine wichtige Abgrenzung zu dem Erzählen von Culture-Clash-Komödien und Ethno-Comedies darstellt, die seit den 1990er Jahren einen immensen Aufschwung erleben.
Die Untersuchung eines gewitzten Anderssprechens befindet sich an der Schnittstelle aktueller literaturwissenschaftlicher Forschung, die sich mit Fragen der Autofiktionalität, Interkulturalität und einer damit einhergehenden Rezeptionsästhetik beschäftigt.
(Disputation am 20.10.2015)
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Mercator-Projekt „Geteilte Erfahrung Migration im deutsch-türkischen und türkischen Film“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2010-2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2011 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: Julia.Boog"AT"uni-hamburg.de
Florian Busch: Schreibrepertoires von Jugendlichen. Kontexte, Formen, metasprachliche Reflexionen
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich die Ausdifferenzierung von geschriebener Sprache im Alltag von Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren. Aufgrund der mittlerweile fast ausnahmslosen Ausstattung mit Smartphones sowie der hohen sozialen Relevanz digitaler Kommunikation, ist die Schriftlichkeit von Jugendlichen nicht mehr an den institutionellen Kontext der Schule gebunden, sondern diffundiert bis in den letzten Winkel des alltäglichen Lebens. Diese situative und soziale Ausdifferenzierung des Schreibens geht mit einer Fächerung von Schreibstilen einher. Solche Korrelationen von spezifischer Kommunikationssituation und der Wahl von bestimmten Ressourcen der geschrieben Sprache lassen sich als Schreibregister beschreiben. Mein Promotionsprojekt hat zum Ziel, die Beschaffenheit von Schreibrepertoires, also die Gesamtheit verschiedener Schreibregister, von Jugendlichen zu rekonstruieren. Hierfür werden zunächst alltägliche Situationen des Schreibens mit Hilfe einer Fragebogenuntersuchung identifiziert. Im Anschluss geben Textportfolien von 20 Jugendlichen, die authentische Texte aus verschiedenen Kommunikationssituationen enthalten, Einblick in die textuellen Realisierungen verschiedener Schreibregister. Die linguistische Analyse registerspezifischer Schreibformen anhand der Textportfolien soll dabei stets unter Einbezug der metasprachlichen Bewusstheit der Schreiberinnen und Schreiber selbst durchgeführt werden. So ist zu fragen, durch welches pragmatische Registerwissen bestimmte Schreibformen mit bestimmten Kommunikationssituationen verknüpft werden. Zu diesem Zweck werden mit ausgewählten Jugendlichen Fokusgruppeninterviews durchgeführt. Die Bezugnahme der verschiedenen Datentypen aufeinander soll schließlich ein differenziertes linguistisch und ethnographisch informiertes Bild der alltäglichen Schreibvariationen von Jugendlichen ergeben.
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik und am Institut für Medien und Kommunikation
- E-Mail: florian.busch"AT"uni-hamburg.de
Jasmin Centner: „Journey of no return“? Narrative der Rückkehr im Kontext von Gewalt und Vertreibung im 20. und 21. Jahrhundert
Das Dissertationsprojekt hat zum Ziel, die narrative Verhandlung der Rückkehr, der eine gewaltvolle Vertreibung vorhergegangen ist, zu untersuchen. Ist der Beginn des Exils mit dem Übertritt einer Grenze noch leicht zu datieren, richtet sich mit der Analyse der Rückkehrbewegungen der Blick auf die Dauer des Exils. Insofern dieses mit einer physischen Rückkehr meist nicht beendet ist, werden Konstellationen des Nachlebens von Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen in den Blick gerückt, die sich nicht auf den Zeitraum 1933–1945 und die Nachkriegszeit beschränken lassen. Dieser Gedanke schlägt sich im Textkorpus nieder, das Literarisierungen der Rückkehr thematisch und zeitlich von unterschiedlichen Perspektiven aus befragt. Die Texte sind dabei zunächst innerhalb des Kontextes der nationalsozialistischen Vertreibungs- und Vernichtungspolitik situiert. Diesen werden dann vergleichend Texte aus dem späten 20. bzw. frühen 21. Jahrhundert gegenübergestellt. Auf diese Weise wird der Dialog zwischen historischen Rekursen und aktuellen Entwicklungen geöffnet und überzeitliche Narrative von Rückkehr werden aufgespürt.
Forschungsleitend ist dabei die Frage, ob und auf welche Weise das Theorem der Rückkehr tradierte Konzepte von Heimat, Zugehörigkeit, Nation und Identität entautomatisiert und neu verhandelt. Dabei wird auch eine womögliche Verschiebung zentraler Begriffe wie Exil, Emigration, Immigration und Remigration mitgedacht, deren eindeutige Definition von der Rückkehrbewegung unterlaufen wird.
Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff, Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
E-Mail: jasmin.centner"AT"gmail.com
Yalda Choopankareh: Kontroverse Fernsehdiskussionen: Kommunikativen Praktiken im Deutschen und Persischen
In dem Promotionsvorhaben sollen kontroverse Fernsehdiskussionen hinsichtlich ihrer typischen kommunikativen Praktiken in den Sprachen Deutsch und Persisch vergleichend untersucht werden.
- Betreuung: Frau Prof. Dr. Kristin Bührig
- Zuordnung/Förderung: Promotionsstipendium der Leistungsstipendien für internationale Studierende der Universität Hamburg
- E-Mail: yalda.Choopankareh"AT"studium.uni-hamburg.de
Akra Chowchong: Haltungen zur deutschen Sprache. Eine Analyse informeller Lerndiskurse in sozialen Medien
Akra Chowchong: Haltungen zur deutschen Sprache. Eine Analyse informeller Lerndiskurse in sozialen Medien
Meine Dissertation setzt sich mit multimodalen Metasprachdiskursen in sozialen Medien auseinander, genauer gesagt, mit Haltungen zur deutschen Sprache in informellen Lerndiskursen auf YouTube und Facebook. Digitale Plattformen wie diese ermöglichen Nutzern, selbstproduzierte Lerninhalte zu veröffentlichen, diese zu organisieren und nicht zuletzt Subjektivität einzubringen, etwa durch Sprachreflexionen, eigene Erfahrungen sowie parodische Darstellungen, wobei das Publikum ebenfalls durch die Interaktionsmöglichkeiten der Plattformen am Diskurs teilnehmen kann.
Im Einzelnen werden nicht-institutionelle Kanäle bzw. Seiten untersucht, die Lernangebote des Deutschen in Form von Text, Bild und Video publizieren. Die erste explorative Auswahl umfasst 5 Kanäle bzw. 30 Seiten. Den theoretischen Rahmen bilden die Sozio- und Diskurslinguistik einerseits und die Medienlinguistik andererseits: Die Online-Lerndiskurse werden anhand des soziolinguistischen Konzepts des stancetaking analysiert. Darunter ist ein öffentlicher, interaktiver, semiotischer Haltungsakt zu verstehen, bei dem ein Akteur ein Objekt bewertet, seine eigene Position ausdrückt und sich an bestimmten Ideologien und an anderen Kommunikationsakteuren ausrichtet. Parallel dazu wird das Augenmerk auf plattformspezifische Praktiken gerichtet, z. B. den Einsatz multimodaler Elemente und die digitale Organisation von Lerninhalten. Daraus ergeben sich die Fragen: Wie positionieren sich der Kanal- bzw. Seiteninhaber und das Publikum bei der Diskursteilnahme? Wie behandeln oder betrachten sie die deutsche Sprache bzw. bestimmte Aspekte der deutschen Sprache? An welchen Sprachideologien orientieren sie sich? Wie nehmen die Teilnehmer an Deutschdiskursen aufeinander Bezug? Inwiefern wird der interaktive und multimodale Charakter dieser Plattformen zur Haltungseinnahme nutzbar gemacht?
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
- Zuordnung/Förderung: Stipendium der Königin Sirikit
- E-Mail: akra.chowchong"AT"studium.uni-hamburg.de
Luis Carlos Cuevas Dávalos: Das Konzept der „logischen Phantasie“ in Egon Erwin Kischs Reportagen aus Prag und Mexiko (Arbeitstitel)
Die „logische Phantasie“ ist ein ästhetisches Konzept, das vom Begründer und wichtigsten Vertreter der Reportage als literarischer Gattung, Egon Erwin Kisch (1885-1948), zur Legitimierung der poetischen Darstellung von Tatsachen eingeführt wurde. Kisch machte die „logische Phantasie“ unter ästhetischen wie auch ethischen Aspekten zur Richtlinie seines Schreibens. Doch bei vergleichender Betrachtung der von Kisch verfassten Reportagen sind teilweise ganz unterschiedliche Ausprägungen dieses Konzeptes festzustellen. Die Arbeit versteht diese multiplen Transformationen in Kischs literarischen Reportagen als Effekt einer konsequenten Praxis der „logischen Phantasie“ des Autors in unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Ausgehend von Ansätzen der Interkulturellen Literaturwissenschaft wird die Anwendung der „logischen Phantasie“ in zwei Reportagekomplexen kontrastiv analysiert, nämlich den Reportagen, die Kisch während seiner Tätigkeit als Lokalreporter in seiner Heimatstadt Prag und den Texten, die er im mexikanischen Exil während des Zweiten Weltkrieges verfasste. Die Arbeit untersucht, wie Kischs Auseinandersetzung mit dem Fremden in der urbanen Kultur Prags und seine Betrachtung fremdkultureller Gegebenheiten in Mexiko die ästhetische Form und ethische Position seiner Reportagen prägt.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr (Erstgutachten), Prof. Dr. Manfred Weinberg (Karls-Universität Prag/Tschechien; Zweitgutachten)
- Zuordnung/Förderung: Luis Carlos Cuevas Dávalos von der Universidad de Guadalajara/Mexiko ist seit 2015 DAAD-Stipendiat an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: cuevasdavalos"AT"hotmail.com
Ann-Katrin Darsow: Der Gebrauch sprachlicher Mittel des Vergleichens von Kindern nicht-deutscher Herkunftssprache in der Primarstufe
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
Kevin Drews: Schreibszenen der Haltung
Autonomie und Heteronomie sind jene zwei Kategorien, in denen das Politische der Literatur von jeher gedacht wurde. In Zeiten gesellschaftlicher Desorganisation und Orientierungslosigkeit reagieren Schriftsteller bisweilen mit Verhaltenslehren auf diese traditionelle Dichotomie, durch die sie provisorische Handlungskonzepte und Lebensformen vorstellen. Sind Verhaltenslehren jedoch der einzige Modus, in dem der Schreibende auf diesen scheinbar unhintergehbaren Gegensatz reagieren kann?
Vor dem Hintergrund der neueren Schreibszenenforschung soll der Begriff der Haltung als Strategie der Selbstpositionierung konzeptualisiert werden, der diesen Gegensatz immer schon unterläuft. Haltungen werden dabei aber nicht jene unvermittelten Lippenbekenntnisse engagierter Gesinnungsliteratur genannt, die bloß eine souveräne Subjekt-Setzung zeitigen und sich als zentrierender Standpunkt darbieten. Diesem Souverän-Schreiben korrespondiert auf literaturwissenschaftlicher Ebene die Verengung der Untersuchung auf die immer schon vollzogene Wahl des engagierten Autors einerseits und auf das abgeschlossene literarische Werk andererseits. Haltungen sind indes vielmehr - zumal vor einem medientheoretischen Hintergrund - immer schon notwendigerweise mediatisiert und reflektieren insofern ihre technische/technologische Bedingung als Mittelbarkeit ihrer eigenen haltenden, experimentellen Probe im Schreibakt selbst. Daher geht das Promotionskonzept Schreibszenen der Haltung diesem Verhältnis von Medium und politscher Schreibszene jenseits der traditionellen Unterscheidungen von Autonomie/Heteronomie, Theorie/Praxis, Innen/Außen und Form/Inhalt nach und möchte zugleich mit der Konzeptualisierung der "Lehren der Haltung" ein alternierendes Angebot zur prominenten Verhaltenslehren-Forschung anbieten.
Diese Konzeptualisierung nicht-dichotomischer ästhetischer und theoretischer Schreibweisen vollzieht sich in der Koppelung mit einer je spezifischen Lebensform, deren wesentliches Moment in der Einsicht liegt, dass das Politische des Schreibens kein zu repräsentierendes oder zu verwaltendes Wissensobjekt innerhalb eines formierten Aussageregimes darstellt, sondern sich nur als literarische Aussage im Schreibakt selbst, i.e. in der ästhetischen Realisierung in actu, zeitigt.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
Lisa Dücker: Der Einfluss von Belebtheit, Satzgliedfunktion und semantischen Rollen auf die Entwicklung der satzinternen Großschreibung im Deutschen anhand von frühneuhochdeutschen handschriftlichen Hexenverhörprotokollen
Die bisherige Forschung zur Entwicklung der satzinternen Großschreibung hat sich vor allem auf gedruckte Texte konzentriert. In diesem Bereich wurden bereits Ergebnisse zum Einfluss der Belebtheit vorgelegt, doch die Bedeutung von syntaktischen Funktionen wie Subjekt, Objekt und adverbialen Bestimmungen sowie semantischen Rollen (Agens, Patiens u.a.) wurde noch nie systematisch untersucht. Diese Lücke will ich mit meiner Dissertation schließen und zusätzlich herausarbeiten, wie die drei genannten Faktoren Belebtheit, semantische Rolle und Satzgliedfunktion interagieren.
- Betreuung: Prof. Dr. Renata Szczepaniak
- Zuordnung: Seit 2016 Mitarbeiterin im SiGS-Projekt
- E-Mail: lisa.duecker"AT"uni-hamburg.de
Jascha Ebermann: Mythische Versprechen. Stiftung und Gefährdung von Gemeinschaft durch dramatische Wort-Gaben in Bearbeitungen antiker Mythen
Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit literarischen Verhandlungen des Sprechakts des ,Versprechens‘ in Situationen, in denen dessen gemeinschaftstiftende oder subjektkonstitutive Funktion zugleich als prekär erfahren wird - oder gar in ihr Gegenteil umschlägt. Dann werden die vermeintliche Identität des Subjektes mit sich selbst sowie die ethische, politische und juridische Ordnung mit Anderen erschüttert, zugleich aber ein neuer Raum der Begegnung eröffnet. Das Promotionsprojekt untersucht hierfür Erzähl- und Dramentexte, die dieses Dilemma ausgestalten und das ,Versprechen‘ in seiner erkenntnistheoretischen Tragweite und ethischen Auswirkung ästhetisch reflektieren. Eine Besonderheit des Projekts liegt in dem Bezug auf antike Stoffe, wodurch die Thematik eine zweifache Spiegelung erfährt: Einerseits dient die Hinwendung zu Kontexten vor der Entstehung des ,transparenten‘ Subjekts als Reflexionsmoment auf seinen Verlust, andererseits können die Stoffe für die Behandlung aktueller sprachphilosophischer Probleme nicht bruchlos assimiliert werden und bleiben auf produktive Weise ,fremd‘. Das Textkorpus besteht aus Aeschylos ,Prometheus‘, Ovids ,Phaethon‘ und ,Philomela‘, Platons dialogischem Text ,Kriton‘, dem sophokleischen ,König Ödipus‘ sowie Hans Henny Jahnns ,Medea‘ und Heiner Müllers ,Philoktet‘.
Für die Untersuchung dieser Texte stehen einerseits vor allem Akte des richtigen Deutens oder ,Lesens‘ mitsamt der darin implizierten Gefahr des ,Verlesens‘ im Vordergrund. Andererseits richtet sich das Interesse auf die Behandlung der ,Verantwortung‘ vor dem eigenen Sprechakt und die Möglichkeiten von Antworten auf die Ansprüche des Anderen, selbst wenn konstitutive Missverständnisse und fehlende Selbsttransparenz in den antiken Mythen ein autonomes, essentielles oder im juridischen Sinne verantwortliches Subjekt unterlaufen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: HmbNFG (2015-2017), Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften (2017-2018)
- E-Mail: Jascha.Ebermann"AT"studium.uni-hamburg.de
Lena Ekelund: Töchterstimmen. Transgenerationelles Trauma und Überlieferung in Romanen jüdischer Autorinnen der deutschen Gegenwartsliteratur (Arbeitstitel)
Das Dissertationsprojekt fragt nach literarischen Strategien der Postmemory (des Nach-Gedächtnisses) der Shoah im deutschsprachigen transgenerationalen Erzählen jüdischer Autorinnen seit der Jahrtausendwende und erforscht die Perspektive der Tochter auf jenen Raum, in dem Erinnerung zuerst tradiert wird: den der Familie. Vor dem Hintergrund von Marianne Hirschs Definition der Postmemory als einer Rückkehr des Traumas in den Nachfolgegenerationen wird den Merkmalen dieser seit der Jahrtausendwende immer zahlreicher werdenden Töchtererzählungen nachgegangen. Dabei soll weniger zwischen Schreib- und Erzählweisen der sogenannten zweiten und dritten Generation unterschieden, als vielmehr von einer Tradition jüdischen weiblichen Schreibens her argumentiert werden, das sich nach Dagmar Lorenz durch Themen wie Matrilinearität, Mehrsprachigkeit und Transnationalität sowie Verfolgung und Unterdrückung auszeichnet. Verhandelt werden diese Themen in den kleinen und oft aus dem Privaten und Familialen entstandenen Formen, wie Barbara Honigmann gezeigt hat. Ausgehend von einem Überlieferungsbegriff, der das Fiktive in sein Recht setzt, sowie von einer Intertextualitätstheorie, die intertextuelle Verfahrensweisen als Strategien der Verortung und Ermächtigung versteht, soll anhand der Lektüren von fünf markanten mit Tochterstimme erzählten Postmemory-Narrativen von Barbara Honigmann, Viola Roggenkamp, Julya Rabinowich, Katja Petrowskaja und Olga Grjasnowa eine Poetik der Überlieferung entwickelt werden.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2011 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: Lena.Ekelund"AT"t-online.de
Heba Emam (Kairo): Exzerpieren als Wissensverarbeitung von wissenschaftlichen Texten in der deutschen und ägyptischen Universität
Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
Kathrin Emeis: Schul-Aufgabe. Der Lehrer als Symbolfigur krisenhafter Gegenwart in der deutschen Literatur zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Ausgangspunkt des Dissertationsprojekts ist die Feststellung, dass die Schule in der Literatur einen entscheidenden Paradigmenwechsel erfahren hat: Zu Beginn des neuen Jahrtausends steht verstärkt die Figur des Lehrers (und nicht länger des Lernenden) im Fokus des Interesses. Ist für viele deutsche Texte um 1900 das Motiv des Schülerselbstmords kennzeichnend, sind es analog dazu 100 Jahre später die Lehrerfiguren, die sich mit identitätsbedrohenden Zäsuren konfrontiert sehen. Die ‚literarische Schule‘ offenbart in diesem Zusammenhang ein ambivalent besetztes Prinzip: Einerseits fungiert sie als ordnende, andererseits aber auch als diese Ordnung zerstörende Konstante.
Meine Untersuchung konzentriert sich auf fünf exemplarische Romane, die zwischen 2001 und 2012 erschienen sind und in denen die Schule zunächst vor allem als institutioneller Rahmen für eine den jeweiligen Protagonisten geradezu verängstigende Umbruchsituation inszeniert ist. Zugleich repräsentieren die Texte jedoch kollektive Prozesse, indem die verhandelten individuellen Lebenskrisen gesellschaftliche Deformationen nahelegen und diese reflektieren. So lässt sich der als Schwellenfigur konzipierte Lehrer in den zeitgenössischen Texten als Mittler krisenhafter Gegenwart konstatieren, dessen Lehrtätigkeit zur Existenzerfahrung schlechthin erhöht ist. Denn, so das Ergebnis meiner Untersuchung, aus der psychologisierenden, die Zeitumstände reflektierenden Ausgestaltung von Lehrerfiguren in der Gegenwartsliteratur können zeitdiagnostische Befunde und ideologische Implikationen ebenso abgeleitet werden wie der Gedanke gesellschaftlicher Wandlungsnotwendigkeit.
(Disputation am 16.06.2015)
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2011 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
Barbara Eschenburg: "Ist nicht der Russe der menschlichste Mensch?" Die Entwicklung von Thomas Manns Menschlichkeitsbegriff im Zusammenhang mit seinem Russlandbild und dem Vorbild russischer Schriftsteller
„Ist nicht der Russe der menschlichste Mensch?“: Das für diese Arbeit gewählte Titelzitat drückt sehr plakativ aus, welche enge Verbindung für Thomas Mann zwischen dem Begriff der Menschlichkeit und seinem Bild des Russen besteht. Lebenslang geprägt durch russische Schriftsteller – wie insbesondere Lew Tolstoi und Fjodor Dostojewski – ist Thomas Manns Vorstellung vom „menschlichen Russen“ hauptsächlich durch ein literarisches Bild bestimmt. Das daraus resultierende Menschlichkeitsbild erfasst zunächst überraschende Aspekte, geprägt durch Thomas Manns Kriegseuphorie während des Ersten Weltkrieges, und entwickelt sich immer differenzierter in den späteren Schaffensjahren des Autors.
Thomas Manns komplexe Entwicklung des Begriffs „Menschlichkeit“ soll in dieser Arbeit umfassend beleuchtet werden. Anhand von Überlegungen aus den Essays Thomas Manns sollen Thesen über Manns Menschlichkeitsbegriff in seinen literarischen Werken verfolgt werden. Der Fokus wird ebenso auf den beiden Autoren Dostojewski und Tolstoi liegen, über die Thomas Mann in seinen Essays vielfach reflektiert – gerade im Zusammenhang mit Begriffen wie Humanität und Menschlichkeit – und deren Romane einen großen Einfluss auf sein literarisches Schaffen ausüben. Somit werden literarische Vergleiche zwischen Werken Tolstois und Dostojewskis mit Romanen Thomas Manns einen großen Teil der Dissertation ausmachen, die dabei helfen werden, die Frage nach der spezifischen Menschlichkeit „Russlands“ und Thomas Manns zu beantworten.
- Betreuer: PD Dr. Bernd Hamacher
- Anbindung: wissenschaftliche Hilfkraft bei der Hamburger Arbeitsstelle des Goethe-Wörterbuchs; Projektmitarbeiterin am Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum (Buddenbrookhaus) Lübeck
- E-Mail: barbara.eschenburg"AT"gmx.de
Jiayin Feng: Argumentation in der Lernersprache: eine korpusbasierte Untersuchung von argumentativen Texten chinesischer Deutschlernender
Kausalität bezeichnet die Relation zwischen zwei Ereignissen oder Sachverhalten, die in Abhängigkeit von einander als Ursache und Wirkung interpretiert werden. Sie ist eine der fundamentalen Kategorien der Argumentationsstruktur und trägt zur Diskurskohärenz bei. Kausalität ist für viele Textsorten relevant. Dementsprechend spielt sie eine bedeutende Rolle im Fremdsprachenunterricht.
Kausalität wird als kognitive Universalie betrachtet, die jedoch einzelsprachlich unterschiedlich realisiert wird. Das vorliegende Dissertationsprojekt untersucht kausale Strukturen in Texten von chinesischen Deutschlernenden (L2-Texte) und von chinesischen und deutschen Muttersprachlern (L1-Texte). Es stehen dabei zwei Thesen im Mittelpunkt, die sich in einer Vorstudie bestätigt haben: (i) L2-Texte drücken Kausalität in anderer Form aus als L1-Texte; (ii) Der Ausdruck von Kausalität in den L2-Texten lässt sich (teilweise) durch Transfereffekte aus dem Chinesischen erklären. Ziel ist es, die Interlingua kausaler Relationen von Deutschlernenden mit L1 Chinesisch in der Argumentationsstruktur systematisch zu beschreiben und in Hinblick auf Transfereffekte zu analysieren. Die linguistischen Ergebnisse können als Input für die Fremdsprachendidaktik einen Beitrag zur Verbesserung des interkulturellen Verstehens leisten.
Empirische Grundlage der Untersuchung sind Erörterungen, d.h. argumentative Texte, aus dem Lernerkorpus Kobalt (Korpusbasierte Analyse von Lernertexten für Deutsch als Fremdsprache) bzw. Texte, die analog erhoben wurden. Die Korpusanalyse beruht auf dem Ansatz der Penn Discourse Treebank und vergleicht die linguistische Ausprägung kausaler Relationen in L2- und L1-Texten.
- Betreuung: Prof. Dr. Heike Zinsmeister
- E-Mail: Jiayin.Feng"AT"studium.uni-hamburg.de
Johanna Flick: Die Entwicklung des Definitartikels im Deutschen. Eine kognitiv-linguistische Korpusuntersuchung
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich, wie sich der Definitartikel während der althochdeutschen Sprachperiode (ca. 750-1050 n. Chr.) aus einem adnominalen Demonstrativ herausgebildet hat. Eine meiner Hypothesen lautet, dass die Entwicklung belebtheitsgesteuert verläuft. Die korpusgestützten Analysen bewegen sich im Theoriefeld der Konstruktionsgrammatik.
- Betreuung: Prof. Dr. Renata Szczepaniak
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: johanna.flick"AT"uni-hamburg.de
Reza Kai Ghamsari: Aporetisches Erzählen als narrative Technik in Prosatexten Franz Kafkas
Das Erzählwerk Franz Kafkas lädt aufgrund seiner Verschränkung luzider Sprachkonstruktion und enigmatischer Sinn(de)konstruktion zu divergierenden Deutungsansätzen ein. Die auf die rätselhaften Topoi und semantischen Leerstellen methodisch facettenreich reagierende Kafka-Exegese erscheint deshalb mitunter ähnlich opak wie der literarische Text, dem sie sich widmet. Kernthese meines Dissertationsvorhabens ist, dass die Quelle der textuellen Polyvalenz und der daraus resultierenden, nahezu beliebig wirkenden Herangehensweisen der Kafka-Philologie in bestimmten rezeptionserschwerenden Erzählstrategien zu suchen ist. Im Rahmen dieser Studie werden diese Strategien unter dem Neologismus aporetisches Erzählen subsumiert. Unter diesem Begriff fasse ich drei Erzählweisen, die das Erzählte in unterschiedlichem Grade als eine in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt problematische Aussage erscheinen lassen:
- eine antinomische Variante, die in Form logisch widersprüchlicher Aussagen realisiert ist;
- eine dialektische Variante, die durch kommentarlose, nicht-identische Beschreibungen des gleichen Sachverhalts gekennzeichnet ist;
- eine relativierende Erzählstrategie, die Aussagen zueinander in Beziehung setzt und dadurch deren individuelle Geltung in Frage stellt.
Auf Grundlage einer systematisch-narratologischen Herangehensweise sollen an ausgewählten Texten des Prager Schriftstellers diese drei Erzählstrategien zunächst identifiziert werden, um sie im Anschluss als mögliche Ausprägungen narrativer Unzuverlässigkeit zu diskutieren. Unter Bezugnahme auf die Analyseergebnisse soll außerdem die theoretische Problematik der Unzuverlässigkeit in heterodiegetischen Erzählsituationen geklärt werden.
- Betreuung: Prof. Dr. Jan Christoph Meister
Sarah Goeth: Formen der Ähnlichkeit. Die Figur der Analogie als Denk- und Darstellungsform bei Novalis, Goethe und. A. Humboldt (Arbeitstitel)
Ziel der Arbeit ist es, entgegen Foucaults Annahme eines Endes des Ähnlichkeitsdenkens ab dem 18. Jahrhundert zu zeigen, dass gerade die Figur der Analogie im 18. und 19. Jh. eine neue Blüte erlebt. Die Analogie kann als Methode verstanden werden, Ähnlichkeiten zwischen entfernten Dingen aufzuspüren, weshalb sie in den Wissenschaften der Zeit dafür genutzt wurde, verfügbares oder noch aufzufindendes Wissen zu ordnen und über diese Anordnung fruchtbar für die Erkenntnis zu machen. Es wird zu zeigen sein, dass diese Wissensstrukturierung in den Naturwissenschaften auch Einfluss auf die narratologischen Darstellungsverfahren der Literatur genommen hat. Novalis, Goethe und A. Humboldt erproben in ihren Texten mittels der Analogie neue Erzählverfahren, die sich entgegen einer tradierten Kausallogik durch Reihenbildungen und Verweisverfahren auszeichnen. Im Zentrum der Analyse werden sowohl die naturwissenschaftlichen Arbeiten als auch das dichterische Werk der Autoren stehen, um den Transfer der Methode sichtbar zu machen und zu zeigen, inwieweit dieser eine einheitliche Struktur verschiedener Disziplinen, in diesem Fall von Wissenschaft und Kunst, gewährt, die entgegen den Ausdifferenzierungstendenzen der Zeit versucht, nochmals eine „Einheit der Natur“ zu gewährleisten.
- Betreuung: Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: sarah.goeth"AT"uni-hamburg.de
Maximiliane Gürth: Das protestantische Drama im 16. Jahrhundert. Zum Fortleben der mittelalterlichen Tradition des geistlichen Spiels in der Reformationszeit
Auch im Protestantismus der Frühen Neuzeit wirkten vorreformatorische Traditionen des geistlichen Spiels weiter, was in der frühneuzeitlichen Forschung immer noch wenig bekannt ist. Mit der Reformation fand das geistliche Spiel nicht sein jähes Ende, sondern lebte im protestantischen Raum in transformierter Form weiter. Der Charakter und das Verständnis der Spielveranstaltungen veränderten sich dabei grundlegend.
Das Dissertationsvorhaben rückt die Frage nach dem Umgang protestantischer Dramatiker und Theologen mit vorreformatorischen Traditionen in den Mittelpunkt des Interesses. Der besondere Fokus liegt dabei auf der Herausarbeitung von interkonfessionellen Phänomenen und heterogenen konfessionellen Konzepten im Bereich des protestantischen Dramas. Um eine interkonfessionelle Grenzüberschreitung in der Frühen Neuzeit markieren zu können, werden protestantische geistliche Dramen, vor dem Hintergrund der Rezeption mittelalterlicher Tradition, auf transkonfessionelle Elemente und interkonfessionelle Strukturen hin untersucht. Dafür werden primär lutherische aber ebenso römisch-katholische Deutungstraditionen berücksichtigt und analysiert. Mit Blick auf das Forschungsanliegen des Graduiertenkollegs wird somit der zentralen Frage nachgegangen inwiefern interkonfessionelle Austauschprozesse, Wechselwirkungen und Angleichungsphänomene nachzuweisen sind.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn, Prof. Dr. Johann Anselm Steiger
- Zuordnung/Förderung: Kollegiatin des Graduiertenkollegs Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit
- E-Mail: maximiliane.guerth"AT"uni-hamburg.de
Marco Heiles: Die deutschsprachigen Losbücher des 15. Jahrhunderts und ihre Handschriften
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn, Prof. Dr. Karina Kellermann (Uni Bonn)
- Zuordnung/Förderung: Graduiertenkolleg Manuskriptkulturen des SFB 950
- E-Mail: heiles"AT"uni-bonn.de
Jan Horstmann: Theaternarratologie. Ein erzähltheoretisches Analyseverfahren für Theaterinszenierungen
In meiner Dissertation geht es vor allem um eine transmediale Anwendung narratologischer Kategorien auf das Theater. Dabei möchte ich die Inszenierung auf der Bühne in den Mittelpunkt der Analyse stellen und nicht lediglich eine transgenerische Dramennarratologie verfolgen. Ich bin der Meinung, dass Theater ein hoch narratives Medium ist und dass eine große Forschungslücke darin besteht, selbiges unter erzähltheoretischen Gesichtspunkten zu analysieren. Hierfür möchte ich mit meiner Dissertation ein Verfahren entwickeln, das auf Aspekte wie die Kommunikationsstruktur im Theater, die verschiedenen narrativen Instanzen, Zeitlichkeit, Räumlichkeit und Perspektivierung bzw. Fokalisierung eingeht und danach fragt, wie sich Performativität auf den Akt der Narration auswirkt. Ich erhoffe mir, mit dieser Arbeit einen erkenntnistheoretisch relevanten Beitragszuwachs zu leisten – sowohl für theaterwissenschaftlich fundierte Inszenierungsanalysemodelle als auch für die Diskussion um die angewandten narratologischen Konzepte. Ferner glaube ich, mit der Etablierung des Theaters als narratologisches Untersuchungsfeld vielen anderen Disziplinen innerhalb der Narratologie Forschungsmöglichkeiten zu eröffnen, die die Thesen dieser Disziplinen unterstreichen oder auch vor neue Herausforderungen stellen können. Es geht mir also sowohl darum, die Vergleichbarkeit unterschiedlicher erzählender Medien herauszustellen, als auch theaterspezifische Formen des Erzählens herauszuarbeiten. Die Produktivität des entworfenen Modells möchte ich schließlich beispielhaft in der Analyse einiger von mir ausgewählter Inszenierungen vorführen, welche ein möglichst breites Spektrum narrativer Phänomene des Theaters abdecken.
- Betreuung: Prof. Jan Christoph Meister
- Zuordnung/Förderung: -
- E-Mail: jan_horstmann"AT"gmx.de
Sarah Ihden: Korpuslinguistische Studien zum mittelniederdeutschen Relativsatz
In dem Promotionsprojekt werden mittelniederdeutsche Relativsätze korpusbasiert untersucht. Das Korpus enthält im DFG-Projekt Referenzkorpus Mittelniederdeutsch/ Niederrheinisch (1200-1650) grammatisch annotierte Texte und wird quantitativ-qualitativ ausgewertet. Es ist so aufgebaut, das eine diachrone Betrachtung ebenso möglich ist wie die Untersuchung einer potentiellen Textsortenspezifik und eines möglichen Einflusses des Sprachraumes. Im Fokus der Arbeit steht die Beschreibung der strukturellen Merkmale mittelniederdeutscher Relativsätze, z. B. der Art der Relativsatzeinleiter, des strukturellen Umfangs der Relativsätze und der Relativsatztypen. Die Position des finiten Verbs erfährt dabei eine besondere Betrachtung, da die Verbstellung im Mittelniederdeutschen noch freier ist als im Neuhochdeutschen. In diesem Zusammenhang soll auch auf die Merkmale relativischer Verbzweitsätze nach Endriss und Gärtner (2005) eingegangen sowie diskutiert werden, inwieweit sie auf die mittelniederdeutschen Relativsätze mit Verbzweitstellung anwendbar sind.
Janina Jacke: Unzuverlässiges Erzählen. Definition, Typologie, Anwendung
Inhalt dieses Projekts ist die theoretische Arbeit an der narratologischen Kategorie des unzuverlässigen Erzählens. Ziel ist die Entwicklung einer eindeutigen und operationalisierbaren Definition sowie einer ausführlichen Typologie dieses narrativen Phänomens. Besonderer Fokus liegt auf der Diskussion der Anwendungsbedingungen der Kategorie bzw. einzelner Typen unzuverlässigen Erzählens.
- Betreuung: Prof. Dr. Jan Christoph Meister
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt forTEXT
- E-Mail: janina.jacke"AT"uni-hamburg.de
Valerie Kaiser: Begleitende Affekte. Heimat – Flucht – Fremde in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (Arbeitstitel)
Das Promotionsprojekt setzt sich mit der literarischen Darstellung und Funktion von Affekten im Spannungsfeld von ‚Heimat – Flucht – Fremde‘ auseinander und stellt sich zugleich der Abgrenzung des Begriffs von Emotion, Gefühl und Regung. Wie kaum ein anderer Topos steht die (verlorene) Heimat für einen emotional und ideologisch aufgeladenen Ort, dem eine zutiefst identitätsstiftende Funktion zugesprochen wird. Zugleich ist Heimat aber auch ein sich in ständigem Wandel befindendes fragiles Konstrukt, das keineswegs einen stabilen Rahmen garantiert. Ebenso ist Flucht als Bewegung des Übergangs wie auch Fremde als Ort eines möglichen Neuanfangs mit einem Konglomerat aus Affekten und Emotionen belegt. Insbesondere in aktuell kontrovers geführten Diskussionen über den Umgang mit Geflüchteten ist die Trias ‚Heimat – Flucht – Fremde‘ präsent und wird zunehmend in der deutschsprachigen (interkulturellen) Gegenwartsliteratur verhandelt. Die Arbeit untersucht in Texten von Abbas Khider, Sherko Fatah, Elfriede Jelinek, Dorothee Elmiger, Saša Stanišić und Terézia Mora, durch welche literarischen Emotionalisierungsstrategien die Themen Heimat, Flucht und Fremde miteinander verbunden sind.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2011 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: valerie.kaiser"AT"gmx.de
Samuel Karp: Die Interkonfessionalität deutscher Stadtbeschreibungen in Apodemiken und Reiseberichten des 17. Jahrhunderts
Kein Reisebericht einer peregrinatio academica oder Grand Tour kommt im 17. Jahrhundert ohne eine ausgiebige Stadtbeschreibung aus. Reisebeschreibungen greifen dabei auf Apodemiken zurück, denen Anleitungen zum richtigen Reisen entnommen werden, wenn es gilt, sich in einer fremden Stadt angemessenen zu verhalten. Besonders angesichts einer fremdkonfessionellen Stadtgemeinde sind Anweisungen, inwiefern an Bräuchen der in der Stadt dominierenden Konfession partizipiert werden darf, unerlässlich und finden immer wieder Eingang in Stadtbeschreibungen. Sie fordern den Reisenden auf, sich in der Fremde von anderskonfessionellen Bräuchen zu distanzieren oder in einen interkonfessionellen Dialog zu treten und aktiv am religiösen Leben der Bürger teilzunehmen. Die Interkonfessionalität auf Reisen verhandeln Apodemiken und Reiseberichte mittels Stadtbeschreibungen und rekurrieren auf zeittypische Maximen der (Inter)Konfessionalisierung, Sozialdisziplinierung und Frömmigkeitsbewegung. So dokumentieren einzelne Beschreibungen einer Stadt sowohl ihre zeitgenössische Rezeption als auch die dort vorherrschenden humanistischen Konzepte, orthodoxen oder irenischen Lehren und frommen, mystischen Denkweisen und werten sie in Hinblick auf die biblischen Städte Babel und Jerusalem.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn und Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky
- Zuordnung/Förderung: DFG-Graduiertenkolleg Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit
Rabea Kleymann: Formlose Form. Epistemik und Poetik des Aggregats beim späten Goethe
Johann Wolfgang von Goethes naturwissenschaftliches und literarisches Spätwerk lässt sich als Ausdruck der Krise des Systembegriffs deuten. Während der Systembegriff Relationen zwischen Teilen in einem Ganzen unter einer Idee beschreibt, meint das Aggregat einen Typus von Einheit durch Zusammensetzung von Vielheit. Merkmal des Aggregats ist ein Nebeneinandersetzen heterogener, sich lediglich von außen berührender Elemente, die auch nach dem Eintritt in das Aggregat ihre Selbstständigkeit bewahren.
Goethes Spätwerk, so die These der Arbeit, stellt den Versuch dar, sich im Rückgriff auf das Aggregat vom Systemdenken und den daraus resultierenden Repräsentationsformen zu lösen. Dabei dient das Aggregat nicht nur als Reflexionsfigur der morphologischen Tätigkeit, dessen Gegenstandsbereich zunächst die Natur ist, sondern wird zum genuinen Organisationsprinzip der späten literarischen Projekte. Insbesondere im West-östlichen Divan (1819), Wilhelm Meisters Wanderjahren oder Die Entsagenden (1829) und Faust. Der Tragödie Zweiter Teil (1832) treten aggregatartige Repräsentationsformen durch Figurationen der Häufung in Erscheinung. Wie gezeigt werden soll, bilden die drei Spätwerke eine Experimentalreihe, die nicht nur über die drei Gattungen Lyrik, Prosa und Drama hinweg, das Aggregat als ein leitendes Ordnungsprinzip erproben, sondern nach der ‚In-Form-Setzung‘ der modernen Gesellschaft fragen. In Goethes Werken treten unterschiedliche Vorstellungen einer gesellschaftlichen Mannigfaltigkeit und Vielheit auf, die nicht in starren Gesellschaftssystemen oder Regierungsformen beschrieben werden können. Der Prozess der Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft setzt eine inkommensurable Komplexität der sozialen Wirklichkeit frei, die sich einer begrifflich-logischen Erfassung sowie einer sinnlichen Wahrnehmung weitgehend entzieht. Goethes Spätwerke beschreiben damit den Moment einer noch nicht gesetzten Formgebung der modernen Gesellschaft. Im Rahmen des Dissertationsprojekts soll daher untersucht werden, wie sich gesellschaftliche Organisation und soziale Verlaufsformen als bewegliche Ordnung oder als aggregatartige Verbindung denken lassen.
- Betreuung: Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiterin "eFoto"
- E-Mail: rabea.kleymann"AT"uni-hamburg.de
Markus Köberlein: Kontingenz und Zeitlichkeit. Modernitätsreflexionen im Werk Friedrich Schillers
Im Rahmen des Dissertationsprojektes sollen bestimmte die um 1800 beginnende Moderne prägende Merkmale im Werk Friedrich Schillers identifiziert und theoretisch reflektiert werden. Ausgehend von einem sozialwissenschaftlichen Modernebegriff werden dabei Schillers Beschreibungen und Reflexionen der gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse seiner Zeit in den Fokus genommen. Als zentrale Analysekategorien dienen dazu unter Rückgriff insbesondere auf Niklas Luhmann die Begriffe ‚Kontingenz’ und ‚Zeitlichkeit’. Darüber hinaus sollen im Rahmen des Dissertationsprojektes die von Schiller auf verschiedene Weisen thematisierten Phänomene ‚Gestaltbarkeitskontingenz’, ‚Widerfahrniskontingenz’‚ ‚Mehrfachmodalisierung’ und ‚Temporalisierung’ untersucht und ihre Auswirkungen auf die Konstituierung von moderner Subjektivität in dessen historischen, ästhetisch-philosophischen und literarischen Schriften nachgezeichnet werden. Ziel dieses Vorgehens ist es, die im Werk Schillers vorgenommene Dimensionierung der (Un-)Möglichkeit modernen Denkens, Erlebens und Handelns sichtbar zu machen und in den literarisch-philosophischen Modernediskurs um 1800 einzuordnen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: markus.koeberlein"AT"gmx.net
Sophie König: Das Triptychon in der Gegenwartsliteratur
In der europäischen Gegenwartsliteratur lässt sich eine Bezugnahme auf das Triptychon verzeichnen, die in der Literaturwissenschaft bisher unbeachtet blieb. Dabei ist das Triptychon in den Texten nicht bloßer Gegenstand der Beschreibung oder wird als literarisches Motiv inszeniert, sondern fungiert als Form und Erzählstruktur. Das Promotionsvorhaben soll die Bedingungen, Implikationen und Strategien dieser literarischen Auseinandersetzung mit einem Format der bildenden Kunst herausarbeiten, um so die zentralen Funktionen des Triptychons in der Literatur der Gegenwart freizulegen: nämlich ein Erzählmodel des ‚Scharniers’, das ein Nebeneinander von Handlungssträngen und Epochen als Gleichzeitigkeit erlaubt, die Akzentuierung einer Leerstelle, die mit der Neubesetzung einer vormals eindeutig religiös bestimmten Mitte einhergeht, und schließlich die poetische Repräsentation des Triptychons als Kultobjekt im postmodernen Kontext. Hierzu sollen sowohl dramatische Texte von Max Frisch, Heiner Müller, W. G. Sebald und Tankred Dorst als auch Prosatexte von Claude Simon, W. G. Sebald und Antonia S. Byatt untersucht werden.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Förderung: Studienstiftung des deutschen Volkes, Landesgraduiertenförderung 2017-2018
- Email: sophie.koenig"AT"studium.uni-hamburg.de
Arne Krause: Supportive Medien in der wissensvermittelnden Hochschulkommunikation
In meinem Promotionsvorhaben untersuche ich anhand von authentischen Daten gesprochener Hochschulkommunikation, welche Zwecke durch supportive Medien wie Kreidetafel, OHP-Folien, PPTs und Interactive Whiteboards sowie studentische Mitschriften in der universitären Wissensvermittlung realisiert werden. Die Arbeit ist dezidiert funktional-pragmatisch und verfolgt einen transdisziplinären Ansatz.
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik
- E-Mail: arne.krause"AT"uni-hamburg.de
Linda Krenz-Dewe: (Fiktionale) Identitätskonstruktionen in deutschsprachigen Erzähltexten jüdischer Autorinnen der dritten Generation nach der Shoah
Das Promotionsprojekt analysiert aktuelle Texte junger jüdischer Autorinnen (Ramona Ambs, Vanessa F. Fogel, Olga Grjasnowa, Katja Petrowskaja, Julyia Rabinowich, Channah Trzebiner) in Bezug auf Aspekte und Schreibweisen der identitären Verortung, worin die Shoah als 'zentrales Erinnerungsereignis' einen übergeordneten Stellenwert einnimmt. Die Auseinandersetzung mit weiblicher und jüdischer Identität im deutschsprachigen, mehrheitlich nicht-jüdischen Kontext ist das zentrale Sujet der ausgewählten Erzählliteratur, was auf eine unsichere, auszuhandelnde Positionierung im gesellschaftlichen und auch literarischen Feld verweist. Die identitären Suchbewegungen verlaufen zwischen Selbstbe- und Fremdzuschreibungen sowie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zudem öffnet der postsowjetische Hintergrund einiger der Autorinnen die literarischen Identitätskonstruktionen in Richtung multipler transkultureller Zugehörigkeiten und Differenzen, was Fragen nach 'dem Jüdischsein' heute noch komplexer werden lässt.
Drei zentrale Gemeinsamkeiten, die zugleich Schwerpunkte der Analyse sind, weisen die Texte dennoch auf: a) die Erfahrung, eine - teils in mehrerlei Hinsicht - 'Andere' zu sein, ist die Grundlage der identitären Konstruktionen; b) das Gedächtnis der Shoah sowie Prozesse der Migration lassen die Texte identitätskonstitutive Topographien des Erinnerns entwerfen; c) der weibliche Körper ist nicht nur Ort vergeschlechtlichender Subjektivation, sondern auch Ort und Medium von (traumatischer) Erinnerung. Das mehrschrittige, diskursanalytisch, gedächtnistheoretisch und narratologisch perspektivierte Analyseverfahren folgt den vielfältigen Verweisungsstrukturen der Texte und zielt zugleich auf die Identifikation spezifischer erinnernder Schreibweisen - auch um diese im Verhältnis zur deutsch-jüdischen Literatur der ersten und zweiten Generation verorten zu können. 'Zwischenräume' der identitären Verortung in kultureller, sprachlicher und topographischer Hinsicht werden mithilfe des Bezugs auf Elemente der postkolonialen Literaturtheorie herausgearbeitet. Aufgrund der großen Nähe der Autorinnen-Biographien zu den textuellen Identitätskonstruktionen sind zudem Fragen der Autorschaft und Autofiktion von Relevanz für das Projekt, das sich in den Feldern der transkulturellen Germanistik als auch der kulturwissenschaftlich orientierten Jüdischen Studien verortet.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff, Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Graduiertenkolleg Vergegenwärtigungen (assoziiert)
Sibylle Kronenwerth: Komplexe Konnektierungen bei Schülern
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
Jordis Lau: Foregrounding the Past. Literary Modernism in Media Art
This project is interested in the afterlives of modernist literature in the audio-visual arts.
Video art, experimental film, and moving image installation art frequently quote or allude to modernist prose and poetry. The concept of appropriation theoretically frames this practice as an interpretative strategy on the level of the artwork. Moreover, following Paul Ricœur, appropriation is understood as the hermeneutic encounter of the spectator with the artwork. Quite contrary to the etymology of appropriation, media art appropriates not by making familiar but rather by making strange: Media art appropriations do not transparently imitate their source as “a window onto another world” but foreground their opacity. The project is interested in the increased emphasis of the artworks’ materiality, the use of haptic images, and the construction of embodied spectatorship. The aesthetic strategies of media art can be accounted for with the Russian Formalist Viktor Shklovksy’s notion of estrangement. The term relates to forms and effects of defamiliarization and deautomatization – strategies that are also pertinent to modernist literature and early film. Estrangement, as proposed by Shklovksy, accounts for a certain aesthetic force that revitalizes perception to make recipients “see in a new light.”
The project further asks for the potential of a diachronic understanding of estrangement. From a perspective of intertextual dialogism, the appropriations circulate discourses across time and space. In so doing, contemporary audio-visualizations of literature from the first half of the 20th century open up a dialogue between past and present cultures. The project asks for the techniques used to remediate and update discourses, to invite spectators to re-read the texts, or to renegotiate the position of modernist “classics” in the canon; it furthermore addresses how modernism itself becomes a device to commemorate the past and shed light on the experience of the present. The appropriations circulate media art’s versions of modernism across national and cultural borders. The project investigates the implications of these repercussions in transcultural memory.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: DFG, Projektmitarbeiterin „Literarizität in der Medienkunst“
- E-Mail: jordis.lau"AT"uni-hamburg.de
Moritz Lautenbach: Sprachliches Handeln als Zugang zu Erinnerung. Schülerführungen in KZ-Gedenkstätten
Das Dissertationsprojekt untersucht sprachliche Wissensvermittlungen an Jugendliche im Bereich der Erinnerungskultur. Die Arbeit ist linguistisch und empirisch basiert, in Theorie und Methode folgt sie der funktional-pragmatischen Diskursanalyse. Ziele der Arbeit sind:
- die Ermittlung von ‚best practices‘ der mündlichen Wissensvermittlung an den historischen Orten aus sprechhandlungstheoretischer Sicht
- die Ermittlung von Grenzen und Möglichkeiten der ‚Vermittlung von Zeugenschaft‘ und des Verhältnisses von ‚kulturellem‘ und ‚kommunikativen‘ Gedächtnis aus sprechhandlungstheoretischer Sicht
Die Ergebnisse der Diskursanalyse werden in eine interdisziplinäre Diskussion mit Konzepten der Gedenkstättenpädagogik und kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorien gebracht. Das Vorhaben schließt an zwei Arbeitsbereiche des Graduiertenkollegs an: Führungen in KZ-Gedenkstätten bilden eine nach wie vor wenig untersuchte ‚Praxis der Vergegenwärtigung‘ von NS-Verbrechen, zum Zweck der Sicherung gesellschaftlich relevanten historischen Wissens. Weiter zeigt die Diskursanalyse am empirischen Material Thematisierungen von ‚Tabus und Tabubrüchen‘ auf und untersucht deren Funktionen im Prozess der mündlichen Wissensvermittlung. Die Arbeit wird betreut von Prof. Dr. Angelika Redder und Prof. Dr. Habbo Knoch.
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
- Zuordnung/Förderung: bis 04/2016 Stipendiat Graduiertenkolleg Vergegenwärtigungen; 04/2016-04/2017 Stipendiat der Graduiertenschule
- E-Mail: moritz.lautenbach"AT"uni-hamburg.de
Gesa Lehmann: Homileischer Diskurs - empirische Untersuchung von Kneipengesprächen
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiterin Koordinierungsstelle BMBF-Forschungsinitiative Sprachdiagnostik/Sprachförderung
- E-Mail: gesa.lehmann"AT"uni-hamburg.de
Felix Lempp: Szene(n) der Globalisierung. Verräumlichungen im gegenwärtigen Stadttheater [Arbeitstitel]
Das Promotionsprojekt untersucht Strategien theatraler Verräumlichung auf zwei Ebenen. Es geht zum einen von der Beobachtung aus, dass in deutschsprachigen Stücken seit der Jahrtausendwende eine Vielzahl hybrider, von den Figuren nicht zu durchschauender Raumkonfigurationen vorherrscht. In diesen Raumkonfigurationen problematisiert und verhandelt das Theater Herausforderungen, die eine durch Vernetzung und Virtualisierung gekennzeichnete globalisierte Welt an ihre Bewohner stellt. Auf einer zweiten Ebene reagiert das gegenwärtige Stadttheater aber auch jenseits der Problemfassung einzelner Stücktexte formalästhetisch auf diese digitalisierte, vernetzte Welt durch einen Wandel seiner Bühnenmittel. Diese sind seit der Jahrtausendwende immer mehr durch den Einsatz audiovisueller Medien und Konzepte räumlicher Verschachtelung gekennzeichnet und verändern so das ab Mitte des 18. Jahrhunderts die Diskussion um ein deutsches Stadttheater mitbestimmende Dispositiv der Guckkastenbühne. Das Ringen um (theatrale) Räume, das sich also sowohl auf der Inhaltsebene der Stücktexte wie auf der Ebene einzelner Inszenierungen fassen lässt, hat dabei eine dezidiert produktive Qualität: In den gegenwärtig vorgeführten theatralen Konzepten von Verräumlichung, so die These des Promotionsprojekts, erprobt das Theater Strategien der kulturellen Selbstverortung, welche momentan angesichts eines konventionelle Ordnungsmechanismen sprengenden Globalisierungsprozesses gesellschaftlich verhandelt werden.
Zur Beschreibung derartiger Verräumlichungsstrategien auf der gegenwärtigen Theaterbühne erscheinen bisherige Raumkonzepte der Dramentheorie wie Theaterwissenschaft wenig hilfreich, weil sie eher auf feste Bühnenraumkonfigurationen als den Prozess theatraler Raumgenese fokussieren. Das Promotionsprojekt wird deshalb zur Analyse von zeitgenössischen Stücken und ihren Inszenierungen ein soziologisch orientiertes Raumanalyseverfahren entwickeln, das theatrale Verräumlichung als Prozess fasst und damit Strategien räumlicher Selbstverortung als aktive Arbeit an, mit und gegen Folgen von Globalisierung in den Blick nimmt.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); seit 11/2018 Promotionsstipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.
- E-Mail: felix.lempp"AT"uni-hamburg.de
Qiqi Li: Höflichkeit in Gesprächen. Eine kontrastive Analyse Deutsch – Chinesisch
- Betreuung: Frau Prof. Dr. Kristin Bührig
- E-Mail: Qiqi.Li"AT"studium.uni-hamburg.de
Joris Löschburg: Das entfesselte Selbst. Figurationen transgressiver Subjektivität in der Moderne
Transgressive Subjektivität bezeichnet eine extreme Form ästhetischer Subjektivität, die sich von der Überschreitung individueller Sinnesschwellen bis zur ekstatischen Selbstvergessenheit in Wahn, Rausch oder erotischem Spiel entwickeln kann. Die Dissertation untersucht unterschiedliche Vorstellungen solcher Entgrenzungszustände in deutsch- und französischsprachiger Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Figurationen des entfesselten Selbst von komplexen Konnotationen durchdrungen sind, die von ästhetischen Anthropologien bis zu politischen Phantasien revolutionären Wandels reichen. Als hypothetische Entwürfe einer ‚Subjektivität auf der Schwelle’ stellen mediale Praxen der Selbstüberschreitung performative Gesten der (Selbst-)De(kon)struktion dar. In der Dissertation werden sie über ihre literarische Bedeutung hinaus als Technologien des Selbst (Foucault) und somit als bedeutende Praxisformen moderner Selbstbildung gelesen. Neben dem Anspruch, einen interdisziplinären Beitrag zur Bedeutung und Entwicklungsgeschichte des Entgrenzungsmotivs in der Moderne zu liefern, ergeben sich aus dem Programm der Dissertation zwei Forschungsschwerpunkte: Zu untersuchen ist erstens die brisante Ambivalenz zwischen aufgeklärtem Selbst, rationaler Subjektivierung und irrationalen Tendenzen, die sich in literarischen Transgressionsphantasien ausmachen lässt. Zweitens liefert die angestrebte Archäologie transgressiver Subjektivität einen Beitrag zur Rekonstruktion der performativen Wende. Von besonderer Bedeutung ist insofern, auf welcher historischen Grundlage, in Hinblick auf welche Ziele und mit welchen kulturellen Techniken, Figurationen transgressiver Subjektivität vorgestellt werden. Diese Fragen werden eng an die Analyse der sprachlichen Inszenierung von Transgressivität rückgebunden, um Charakteristika und Differenzen relevanter Positionen herauszustellen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Förderung/Zuordnung: Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
- E-Mail: jloeschburg"AT"yahoo.de
Maraike Marxsen: Deviant Girls, Deviant Forms. Feminine Adolescence in Media Art and Experimental Film
My dissertation investigates the works of three video artists and experimental filmmakers (Sadie Benning, Sarah Jacobson, Jennifer Reeder) who draw on literary genres such as autobiography and diary to deconstruct the representation of feminine adolescence in mainstream cinema. Of central concern are correlations between alternative aesthetics and alternative feminine identities. Associating adolescence, most general, with experiences of upheaval, estrangement, identity fragmentation and reformulation, I ask how this experience is translated into artistic expressions. Already the feminist film theory of second wave feminism considered the writings of Russian formalism to formulate a feminist aesthetics. My theoretical approach is thus informed by classic and contemporary feminist/queer (film) theory with a specific focus on the concept of ostranenie. Moreover, I use the neoformalist concept of ‘background’ to analyze how the translation of literary genres into media art affects both, the representation of feminine adolescence and generic conventions. In short: I am interested in the relation between deviant girls and deviant forms.
Februar – April 2016: 3-monatiger Forschungsaufenthalt in New York (gefördert durch ein Stipendium des DAAD)
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: DFG, Projektmitarbeiterin „Literarizität in der Medienkunst“
- E-Mail: maraike.marxsen"AT"uni-hamburg.de
Thomas Merten: Zeitgenössische Repräsentationen der Shoah in Graphic Novels
Der Comic ist ein wichtiges Medium zur Repräsentation der Shoah, da es sich jeglichen Realitätsanspruchs entzieht und somit eine ganz eigene Herangehensweise zur Darstellung des als undarstellbar Geltenden anbietet. Wenn es um den Holocaust in grafischer Literatur geht, ist schnell die Rede von Art Spiegelmans „Maus“. Zurecht gilt sie als Beispiel seriöser, anspruchsvoller Comics. In der jüngsten Rezeptionsgeschichte kam es allerdings zu einer Idealisierung von „Maus“, die vor allem neue Werke ausblendet. Daher soll es Ziel meines Dissertationsprojekts sein, eine Einordnung der neueren Graphic Novels in die moderne Erinnerungskultur mit Comicdiskursen bis heute vorzunehmen. Es stellt sich die Frage, welche Rolle internationale Comics bei der Holocaust-Repräsentation spielen. Dabei zeigt sich, dass keine kosmopolitische Einheit entsteht, sondern der transnationale Erfahrungsraum vor allem durch Differenz, also Heterogenität, geprägt ist. Die schlägt sich in den sich immer weiter ausfächernden Thematiken und Darstellungsformen in Comics nieder, die sich nicht mehr nur auf die Wiedergabe (auto-)biographischer Geschichte beschränken. Zu den neueren Formen der Vergegenwärtigung zählen zum Beispiel auch fiktionale und autofiktionale Titel. Die Neuerscheinungen und ihr Experimentiercharakter korrespondieren mit den weiterhin changierenden Strategien zur Darstellung historischer Realität und deren Stellenwert, auch im Hinblick auf den Umgang der Postmemory-Generationen mit dem Thema. Diese Entwicklung innerhalb eines für die avancierte Erinnerungskultur immer spannender werdenden Mediums möchte ich im Rahmen meiner Dissertation erforschen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Graduiertenkolleg Vergegenwärtigungen
- E-Mail: thomerten"AT"gmail.com
Sandra Narloch: Exil und Kosmopolitismus: Weltbürgerliche Narrative und kosmopolitische Perspektiven in literarischen Verhandlungen des Exils 1933-1945
Ein stetig wachsendes Interesse an transnationalen und transkulturellen Phänomenen hat dem Begriff des Kosmopolitismus im Zeitalter von Massenmigration und Globalisierung Disziplin übergreifend zu einer regelrechten Renaissance verholfen. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre lassen sich vor allem in der angloamerikanischen Forschung zahlreiche Bemühungen verzeichnen, einen ,Neuen Kosmopolitismus‘ als methodologisches Paradigma für den Umgang mit kultureller Differenz zu etablieren. Obwohl das Exil in diesem Zusammenhang als geradezu „paradigmatischer Ort“ für die Ausbildung eines „kosmopolitischen Blicks“ beschrieben wurde, gibt es bisher kaum Bemühungen, die literarischen Verhandlungen des Exils 1933-1945 zu den gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Beziehung zu setzen. Indem die Untersuchung die im Exil entstandenen kosmopolitischen Identitäts- und Gemeinschaftsentwürfe in einen Dialog mit Konzepten eines ,Neuen Kosmopolitismus‘ treten lässt, verfolgt sie zum einen das Ziel, das kosmopolitische Paradigma für die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung fruchtbar zu machen. Zum anderen verspricht sich das Projekt von der vergleichenden Analyse ausgewählter literarischer Texte innovative Erkenntnisse über das spezifische Verhältnis von Exil, Literatur und Kosmopolitismus.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: sandra.narloch"AT"studium.uni-hamburg.de
Judith Niehaus: Typographisches Verfremden – Verfremdete Typographie. Zur Ästhetik der Schrift in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart
In der deutschsprachigen Erzählliteratur trifft man seit einigen Jahrzehnten immer häufiger auf Werke, die typographische Effekte einsetzen. Mit diesem Phänomen möchte ich mich in meiner Dissertation aus verschiedenen Perspektiven beschäftigen. Einerseits interessieren mich die historischen, gesellschaftlichen und technischen Bedingungen, die potentiell der differenzierteren Verwendung von Schrift in Erzähltexten zugrunde liegen. Andererseits möchte ich mich – im Rahmen der Erzähltexte, in denen sie eingesetzt werden – mit den konkreten Verfahren beschäftigen, um sie mit Hilfe verschiedener Theorieansätze besser verstehen, beschreiben und nach Möglichkeit auch typologisieren zu können – ein Ansatz, der in der deutschen Forschungsliteratur bisher nicht verfolgt wurde. Das literaturwissenschaftliche Konzept, das dabei die Analysen leiten und rahmen soll, ist das der Verfremdung: Es geht um typographische Verfahren, die das, was geschrieben wird, die Art, wie geschrieben wird, oder sogar die Schrift selbst ‚fremd‘ machen – verfremden.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Studienstiftung des deutschen Volkes
- E-Mail: judith.niehaus"AT"yahoo.de
Stellan Pantléon: Geprüfte Lehrer. Konflikt-Kulturen im zeitgenössischen Schul-Film (Arbeitstitel)
Im sozialen Feld Schule treffen differente Wertvorstellungen, Lebenswirklichkeiten und Ansprüche aufeinander. Im Spielfilm werden diese Kollisionen auf der Ebene konkreter intersubjektiver Konflikte von Lehrer/innen-Figuren auch in ihrer kultursoziologischen Dimension erzählbar. Ausgehend von der Beobachtung einer gegenwärtig starken Häufung von Filmproduktionen über die Schule fragt diese Arbeit nach der kulturellen Verortung jener Narrative, die jenseits der vordergründigen Filmhandlung über die inszenierten Lehrerfiguren entwickelt werden. Der Studie liegen fünf exemplarische ,Schul-Filme‘ zugrunde, welche die Figur des Lehrers und seine potentiell krisenhafte Position als Vermittler zwischen Heranwachsenden und den an sie herangetragenen Erwartungen in einer staatlichen Institution auf je unterschiedliche Weise verhandeln. Die hier inszenierten ,Konflikt-Kulturen‘ vermögen Auskunft über die wahrgenommenen Möglichkeiten und Grenzen der Institution Schule und ihres gesellschaftlichen Vermittlungsauftrags zu geben. Die Arbeit verfolgt dabei einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, welcher der Spezifik filmischen Erzählens durch die Operationalisierung narratologischer und semiologischer Kategorien beizukommen sucht. Dabei sind in der Analyse der filmischen Erzählverfahren auch die kulturellen Implikationen der Produktions- und Rezeptionsbedingungen berücksichtigt.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Mercator-Projekt „Geteilte Erfahrung Migration im deutsch-türkischen und türkischen Film“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2013-2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2014/2015 Stipendiat im DAAD-Projekt „Mediale Semantisierung maritimer Urbanität. Die Hafenstädte Hamburg und Mumbai im Vergleich“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2012-2015 Stipendiat in der vom DAAD geförderten „Germanistischen Institutspartnerschaft: Hamburg – Istanbul“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2012 Stipendiat im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: stellan.moritz.pantleon"AT"uni-hamburg.de
Ruth Pappenhagen: Mehrsprachigkeit im Hamburger Welcome-Center - empirische Untersuchungen
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiterin „Offensive Sprachwissenschaft“
- E-Mail: ruth.pappenhagen"AT"uni-hamburg.de
Catrin Prange: Sprechtexte. Nora Gomringers Poetik der konkreten Klanglichkeit
This PhD thesis aims to contribute to the research on contemporary German language poetry theory in general. In particular, it will provide an in-depth look at the work of Nora Gomringer, one of Germany’s most important young poets. Nora Gomringer’s poetic art is representative of new German poetry of the 2000s which is characterized by its specific mediality and has not yet been described and researched in terms of its multimodality. Gomringer writes, speaks, recites, performs and publishes her poetry in the form of “audio books” (poetry books with audio CD), poetry clips (on web video channels) and live performances. Having long since outgrown competitive poetry slam events, today Gomringer is a published poet, spoken word artist and reciter booked for both her poetic and for her elocution skills. With her “spoken texts”, Gomringer has established a whole new genre within the landscape of German poetry which largely eludes conventional literary analysis. Therefore, describing and analysing her „spoken texts“ requires using a range of theories from various disciplines.
Diese Dissertation soll einen Beitrag zur modernen germanistischen Lyriktheorieforschung im Allgemeinen leisten und im Speziellen das Werk Nora Gomringers, einer der bedeutendsten Nachwuchsdichterinnen deutscher Sprache, untersuchen. Dabei steht Nora Gomringers Dichtung stellvertretend für eine neue deutsche Lyrik der 2000er Jahre: eine Dichtkunst, die durch ihre spezifische Medialität auffällt und in ihrer Multimodalität noch nicht beschrieben und erforscht ist. Gomringer schreibt, spricht, rezitiert, performt ihre Werke. Sie präsentiert ihre Lyrik bei Live-Auftritten und veröffentlicht diese in Form von ‚Audio-Books‘ (Gedichtbände mit CD) und Video-Clips im Internet. Dem kompetitiven Veranstaltungsformat ‚Poetry Slam‘ entwachsen, wird Gomringer vor allem für ihre Lyrik und ihrer Vortragskunst wegen eingeladen. Als publizierte Lyrikerin, Spoken-Word-Poetin und Rezitatorin begründet Gomringer mit ihren „Sprechtexten“ ein neues Genre in der deutschen Lyriklandschaft, das sich der reinen literaturwissenschaftlichen Analyse jedoch weitgehend entzieht. Daher gilt es zur Beschreibung und Analyse der Sprechtexte Theorieansätze aus verschiedenen Disziplinen zu berücksichtigen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: Catrin.Prange"AT"gmx.de
Malena Ratzke: Politische Rede in der Literatur des Mittelalters
Das Promotionsprojekt untersucht Formen und Funktionen politischer Rhetorik in fiktionalen Texten vom 12. bis 15. Jahrhundert. Vorwiegend höfische, ggf. aber auch nicht zum Kernbestand höfischer Epik zählende Texte sollen darauf befragt werden, inwiefern sie Eloquenz als Bedingung für erfolgreiche Herrschaft bzw. erfolgreiche gemeinsame Politik inszenieren. Das Untersuchungsinteresse richtet sich dabei zum einen auf die Darstellung von Redekompetenz einzelner Figuren, die – etwa in der Tradition der Alexanderromane – als eloquente Herrscher, Ratgeber oder Diplomaten präsentiert werden. Von der Analyse entsprechender Redeszenen ausgehend soll zum anderen das Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Formen symbolischer Kommunikation betrachtet werden, wobei besonders die Rolle von Rede im politischen Zeremoniell im Fokus steht. Eine dritte Fragerichtung zielt auf die poetologische Ebene der Texte. So können Szenen politischer Rede nicht nur als Beitrag der Verfasser zum politischen Diskurs verstanden werden, etwa in Form eines auf Beredsamkeit gründenden Herrscherideals; sie können auch programmatisch darauf ausgerichtet sein, dem Publikum die entsprechenden Fähigkeiten zu vermitteln, wie dies etwa von Konrad von Würzburg vertreten wird. Nicht zuletzt bieten die Szenen den Verfassern die Möglichkeit, ihr rhetorisches Können zu demonstrieren und ihre literarische Qualität zu beweisen.
Die Untersuchung knüpft an aktuelle Arbeiten im Bereich der Historischen Dialogforschung zu literarischen Redeszenen an und führt diese mit Ansätzen aus der historischen Oratorikforschung zusammen. Ziel ist es, den literarischen Diskurs über politische Rede sichtbar zu machen und auf Grundlage einer exemplarischen Auswahl von Texten Modelle zu seiner Beschreibung zu entwickeln.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Baisch
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: malena.ratzke"AT"uni-hamburg.de
Anabel Recker: Poetologische Reflexionen in der meisterlichen Lieddichtung des 14. und 15. Jahrhunderts
Regelwerke zur Poetik kennt das deutschsprachige Spätmittelalter noch nicht. Im Bereich der Lieddichtung entwickeln die Verbünde der Meistersinger im Verlauf des 16. Jahrhunderts in Form von Tabulaturen erste Ansätze für explizit festgeschriebene Regeln des Dichtens. Für die vorangegangene Phase der Sangspruchtradition, die meisterliche Lieddichtung, sind entsprechende Regularien hingegen nicht nachweisbar. Eine Poetik der meisterlichen Liedkunst des 14. und 15. Jahrhunderts kann daher nur implizit über die überlieferten Texte und Melodien erschlossen werden. Um dem poetologischen Selbstverständnis dieser Form von Lyrik näher zu kommen, möchte ich in meiner Arbeit ein Korpus von Liedern edieren, die in verschiedener Hinsicht auf den Prozess, die Methode, die Ziele und Aufgaben des Dichtens Bezug nehmen, wobei der Varianz der spätmittelalterlichen Texte nach Möglichkeit Raum gewährt werden soll. Im Untersuchungsteil der Arbeit sollen die immanenten poetologischen Prinzipien der im Editionsteil repräsentierten meisterlichen Lieddichtung sichtbar gemacht und analysiert werden. Ziel der Arbeit ist es, die immer noch häufig als ‚Übergangsphase‘ zwischen höfischer Sangspruchdichtung und städtischem Meistersang aufgefasste sangbare meisterliche Dichtung in ihrer Poetizität schärfer zu konturieren, besser zu durchdringen und auf anwendbare Kategorien und Begrifflichkeiten zu bringen.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: anabel.recker"AT"gmx.de
Adriana Sabatino: Sprachliches Handeln in Englisch und Deutsch als lingua franca: Gesprächsmanagement und Aufgabenbearbeitung mehrsprachiger Teams
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
Kirsten Scherler: Rückkehr ohne Heimkehr – Neukonfigurationen von Heimat in transkultureller Literatur von Özdamar, Florescu, Vertlib, Bodrozic, Schami (Arbeitstitel)
Das Promotionsvorhaben untersucht Remigrationsnarrative in transkulturellen Texten als literarische Inszenierungen des Fremdseins in der eigenen Heimat. Analysiert werden Romane von Emine Sevgi Özdamar, Catalin Dorian Florescu, Vladimir Vertlib, Marica Bodrozic und Rafik Schami, in denen die Rückkehr in die Heimat den Protagonisten/die Ich-Erzählerin in einen Reflexionsraum kultureller Ambivalenz führt. Da dem Begriff Heimat keine eindeutige Bedeutung zukommt, verhandeln die literarischen Texte inter- sowie intraindividuell stark affektiv besetzte Heimatvorstellungen. Von daher fragt die Arbeit nach den Imagines, die sich mit jeweiligen Kulturwechseln verbinden, untersucht die Umkodierung von tradierten Heimatvorstellungen und sucht die Neukonfiguration des Heimatbegriffes in den ausgewählten Texten zu erfassen. Die Studie trägt so zur Erforschung des gegenwärtig auch durch Fluchtbewegungen hochaktuellen Phänomens der migrantischen Literatur bei und entwickelt darüber hinaus neue Perspektiven auf literarische Heimat- und Fremdheitskonstruktionen.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr (Erstgutachten), Prof. Dr. Elke Sturm-Trigonakis (Universität Thessaloniki /Griechenland; Zweitgutachten)
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: Kirsten.Scherler"AT"googlemail.com
Sebastian Schirrmeister: Begegnung am anderen Ort. Narrative Deterritorialisierung in deutsch- und hebräischsprachiger Prosa aus Palästina/Israel nach 1933
Anliegen der Arbeit ist es, die von der deutschen Exilforschung bislang stets als „Sonderfall“ betrachtete deutschsprachige Literatur aus Palästina/Israel in ihrer Beziehung zur hebräischen Literatur zu untersuchen und so im breiteren Kontext jüdischer Literaturen zu perspektivieren. Neben Begegnung, Austausch und Übersetzungsbeziehungen zwischen Deutsch und Hebräisch schreibenden Autorinnen und Autoren stehen gemeinsame Lektüren ausgewählter Romane und Erzählungen im Zentrum, die anhand von Reise- und Fluchtnarrativen die zugrundeliegende Erfahrung der Migration nach Eretz Israel literarisch verarbeiten und dabei auf unterschiedliche Weise das zionistische Master-Narrativ der Rückkehr reflektieren und hinterfragen. Unter Bezugnahme auf Dan Mirons kontrovers diskutiertes, dynamisches Modell jüdischer Literaturen, das die imaginäre Kontinuität einer ‚normalen‘ Literaturgeschichte durch die Kontiguität heterogener Elementen innerhalb eines vieldimensionalen „Jewish literary complex“ ersetzen möchte, positioniert sich die Arbeit im Kontext der sich zurzeit in Israel, den USA und Deutschland entwickelnden German-Hebrew Studies.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik
- E-Mail: sebastian.schirrmeister"AT"uni-hamburg.de
Antje Schmidt: Neufigurationen des barocken Vanitas-Topos' in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
In den Künsten der Gegenwart ist bereits seit längerem eine Affinität zur ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Barock zu verzeichnen. In der deutschsprachigen Lyrik zeigt sich diese insbesondere in einer Aneignung des Vanitas-Topos’ mit seiner opulenten Ästhetik sowie seiner spezifischen Semantik der Vergänglichkeit, Nichtigkeit und Scheinhaftigkeit der Welt. Die barocken Vanitas-Figurationen scheinen dabei in besonderer Weise dem Lebensgefühl konsumorientierter, westlicher Gesellschaften der Spätmoderne zu entsprechen, die, so die Hypothese des Dissertationsvorhabens, maßgeblich durch Erfahrungen einer zunehmenden Ästhetisierung des Realen, des steten Wandels und der Dekadenz, einer empfundenen Ohnmacht gegenüber Weltverläufen sowie einer Empfindung der Bedeutungslosigkeit und Vergeblichkeit der Existenz geprägt sind. Neufiguriert wird die barocke vanitas dabei wesentlich durch ihre künstlerische Einbettung in zeitgenössische Diskurse, wie etwa diejenigen zu Genderfragen, zum biologistischen Menschenbild der Moderne, zur Durchdringung aller Lebensbereiche durch Fortschritts- und Konsumlogik sowie zur Todesverdrängung. Die Dissertation hat daher zum Ziel, zeitgenössische Neufigurationen der barocken vanitas in der Gegenwartslyrik zu untersuchen, um zu beschreiben, wie sich das Welt- und Selbstverständnis der Gegenwart im Spiegel barocker Weltanschauung als ‚Späte Neuzeit‘ konstituiert. Hierfür werden einerseits die Formen der Aneignung des barocken Vanitas-Topos’ in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik untersucht, wobei neben Lyrik, in der die vanitas diskursiv verhandelt wird, besonders performative Lyrik von Interesse ist, die sinnlich-ästhetische Erfahrungen der Vergänglichkeit inszeniert. Darüber hinaus wird untersucht, welche Funktionen die literarischen Rekurse auf diesen von christlichen (Heils-)Vorstellungen geprägten und traditionsgeschichtlich bedeutsamen Wissens-, Bild- und Motivbestand haben, wie etwa Gesellschaftskritik, Trost oder bewusste Abgrenzung.
Jara Schmidt: Migrationsliteratur und Karneval. Subversionsstrategien in zeitgenössischen deutsch- und englischsprachigen Romanen (Arbeitstitel)
Das Promotionsprojekt wirft in Rekurs auf Michail M. Bachtins einschlägige Literaturtheorie – insbesondere anhand seiner Schrift Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur (1969) – einen neuen Blick auf die Migrationsliteratur zeitgenössischer Autor/inn/en. Es wird untersucht, inwieweit durch zunehmende Migrationsbewegungen und daraus resultierenden neuen gesellschaftlichen Machtgefällen karnevaleske Elemente literarischer Werke wieder von genrebildender Kraft sind und die ‚Karnevalsliteratur‘ in der Migrationsliteratur ihre Renaissance erlebt.
Das Dissertationsvorhaben ist als eine komparatistische Analyse von Migrationsromanen türkischstämmiger Autor/inn/en in Deutschland sowie indischstämmiger in Großbritannien angelegt, und nimmt damit die literarische Repräsentation der zahlenmäßig stärksten Minorität des jeweiligen Landes in den Fokus. Die Auswahl der Romane beschränkt sich zudem auf Berlin- respektive London-Narrative, die Metropolen und ihre Gesellschaften im Wandel abbilden und in denen die Städte zeitweilig zu sogenannten ‚play zones‘ ohne festgeschriebene Normen werden. Die spielerischen wie humorvollen subversiven Verfahren der Karnevalisierung verhandeln gesellschaftliche Diskurse aus migrantischer Perspektive ‚von unten‘ neu und weisen dabei immer wieder das karnevaleske Motiv der ‚umgestülpten Welt‘ auf.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Erasmus-Büro der Fakultät für Geisteswissenschaften (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2015-2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Mercator-Projekt „Geteilte Erfahrung Migration im deutsch-türkischen und türkischen Film“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2012 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: jara.schmidt"AT"uni-hamburg.de
Eleonore Schmitt: Sprachlicher Fehler: Typologisierung und Prozessierung von Systemabweichungen
Das zentrale Anliegen des Dissertationsprojekts ist es, eine Typologie des sprachlichen Fehlers zu entwickeln. Dabei sollen systemlinguistische und psycholinguistische Ansätze kombiniert werden. Im Theorieteil der Arbeit werden dafür Fehler- sowie Normkonzepte vorgestellt und kritisch diskutiert. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Norm- und Systemabweichung zentral. Systemabweichungen sind nicht systemkonforme Varianten (*die Katze sitzen). Normabweichungen sind dagegen echte Variationsfälle, in denen zwei oder mehr Varianten im Sprachsystem verankert sind (Ich sehe den Pfau/en) (vgl. Eisenberg und Voigt 1990). In der Dissertation wird vorgeschlagen, Systemabweichungen als Verstöße gegen konstitutive Regeln, Normabweichungen dagegen als potentielle Verstöße gegen regulative Regeln zu betrachten. Konstitutive Sprachregeln erschaffen ein System von Handlungsmöglichkeiten und ermöglichen dadurch erst bestimmte verbale Handlungen. Regulative Sprachegeln schränken hingegen vorhandene Handlungsmöglichkeiten ein, die von konstitutiven Regeln ermöglicht werden.
Es wird der Frage nachgegangen, anhand welcher Kriterien Norm- und Systemabweichungen unterschieden werden können. Dabei wird angenommen, dass Frequenz, Prototypizität und Schematizität Einfluss auf die Systemkompatibilität von Variation nehmen können: Ein hohes Maß an Frequenz, Prototypizität und Schematizität führt zu Systemhaftigkeit einer Form und verringert somit die Systemkompatibilität von Variation. Die Einflussfaktoren werden dabei skalar betrachtet: Je weniger frequent, je weiter vom Prototyp entfernt und je weniger eine Form in ein Schema passt, desto wahrscheinlicher ist Variation.
Diese systemlinguistischen Einflussfaktoren werden im empirischen Teil der Arbeit anhand psycholinguistischer Methoden überprüft. Da ungrammatische Formen anders prozessiert werden als grammatische (vgl. Kaan und Swaab 2003), wird anhand der Prozessierung getestet, inwiefern Frequenz, Prototypizität und Schematizität auf die Systemhaftigkeit einer Form Einfluss haben kann. Dabei wird mit self-paced reading Experimenten (SPR) gearbeitet.
- Betreuung: Prof. Dr. Renata Szczepaniak
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: eleonore.schmitt"AT"uni-hamburg.de
Vera Schmitz: Edwin Erich Dwinger: Die deutsche Passion. Der ‚Kampf um die Deutungshoheit´ über den 1. Weltkrieg in der Kriegsliteratur der späten Weimarer Republik
Edwin Erich Dwinger (1898-1981), ein Zeitgenosse Ernst Jüngers, publizierte im Zeitraum vom 1929-1932 mit „Die deutsche Passion“ einen der erfolgreichsten Texte der Kriegsliteratur. In meinem Promotionsprojekt untersuche ich, mit welchen erzählerischen Mitteln und aufgrund welcher Themenwahl dies dem Text gelang. Indikatoren für diesen Erfolg sind die Auflagenzahlen, die Übersetzungen, die Umarbeitungen des Stoffes sowie die vielfältigen Rezensionen. Ich gehe davon aus, dass der Erfolg von „Die deutsche Passion“ auf zwei Besonderheiten des Textes zurückzuführen ist. Er zeichnet sich durch geschickt eingesetzte Erzählstrategien aus. Diese untersuche ich mit narratologischen Methoden (Gérard Genette).Die zweite Besonderheit ist die Behandlung neuartiger thematischer Komplexe, wie der Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus oder dem Entwurf einer Zukunftsperspektive für Deutschland. Zusätzlich hat der neuartige Umgang mit bereits bekannten Themen zum Erfolg beigetragen. Dies untersuche ich mit literatursoziologischen Methoden (Pierre Bourdieu). Mit meinem Vorhaben möchte ich erklären, wie erzählerische Strategien zur Durchsetzung eines Textes in einem bestimmten literarischen Feld führen und wie, eingebettet in ein Geschehen, weltanschauliche Positionen über erzählerische Strategien transportiert werden.
- Betreuung: Prof. Dr. Jan Christoph Meister
- Zuordnung/Förderung:
- E-Mail: vera_schmitz"AT"hotmail.com
Mareike Schumacher (geb. Höckendorff): Literarisches Erzählen im Web
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich Erzählformen in Weblogs, die von belletristischen Autoren geführt werden. Mich interessiert, ob diese Autoren in ihren Blogs anders schreiben als in ihren Büchern, ob sie Musik, Videos, Bilder oder die Möglichkeit, mit Lesern direkt zu kommunizieren in ihre Texte einbinden und wie diese Mediennutzung sich auf ihre Erzählweise auswirkt. Die Frage danach, welche narrativen Strategien traditionellen literarischen Erzählens in Weblogs genutzt werden und welche neuen Erzählkonventionen als einzigartig für Literatur im Blog als multimediales Medium ausgemacht werden können, spezifiziert die Frage, ob das Internet die Traditionen literarischen Erzählens von Grund auf verändern kann oder dieses lediglich modifiziert. Ich nähere mich diesem Thema durch einen Vergleich von gedruckten Werken und Blogs der Autoren, die ich unter klassischen narratologischen Gesichtspunkten wie Erzählstimme, Erzählzeit und Modus untersuche. Den Forschungsprozess beschreibe ich auf dem Blog http://blogliterature.net.
- Betreuung: Prof. Dr. Jan Christoph Meister
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiterin "eFoto" und "DARIAH-DE"
- E-Mail: mareike"AT"hoeckendorff.com
Jessica Sohl: Satzanfänge in Schulfachbüchern der Sekundarstufe I und deren Auswirkung auf Textkohärenz und Textverständlichkeit
Gegenstand meines Promotionsprojekts ist der Aufbau von Sprache in Schulfachbüchern der Sekundarstufe I und die damit einhergehende Textkohärenz und Textverständlichkeit. Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht dabei der Satzanfang, beziehungsweise das „Vorfeld“, welches im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs als diejenige Stelle im Satz bezeichnet wird, die maßgeblich an der Kohärenzbildung im Textzusammenhang beteiligt ist.
Im Rahmen einer linguistischen Studie auf der Basis eines Schulbuchkorpus, bereitgestellt von der Universität Jena, wird an unterschiedlichen Fachbüchern der Biologie und Geografie untersucht, durch welche Formen und Funktionen das Vorfeld in der Textsorte Schulfachbuch besetzt ist und überprüft, inwieweit die sprachlichen Elemente im Vorfeld zur lokalen Kohärenzbildung im Text beitragen. Um die Schülerinnen- und Schülerperspektive nicht außer Acht zu lassen, werden im Anschluss Textverständlichkeitstests durchgeführt, wobei Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersgruppen Texte mittels Verständlichkeitsrating bewerten. Im Sinne der Triangulation wird zusätzlich das Verfahren des Eye-Tracking zum Tragen kommen, um durch die Dokumentation von Auffälligkeiten im Lesefluss exakt Auskunft darüber geben zu können, bei welchen Vorfeldern im Text die lokale Kohärenz gestört ist.
Obwohl im Rahmen des Promotionsvorhabens keine fachdidaktischen Konsequenzen aus den Forschungsergebnissen gezogen werden, können die Ergebnisse dazu dienen, die Blicke von Lehrkräften auf bestimmte sprachliche Strukturen, die Schülerinnen und Schülern Schwierigkeiten bereiten können, zu schärfen.
- Betreuerinnen: Prof. Dr. Zinsmeister und Prof. Dr. Marion Krause
- E-Mail: jessica.katharina.sohl"AT"studium.uni-hamburg.de
Kristin Steenbock: Popjournalismus im Zeitgeistmagazin "Tempo"
Das Dissertationsprojekt widmet sich der Erschließung und Analyse popkultureller Strukturprinzipien des Zeitgeistmagazins "Tempo", das zwischen 1986 und 1996 in (West-)Deutschland erscheint. Im Fokus stehen popjournalistische Schreibverfahren insbesondere von Autoren, die früher oder später im Kontext der deutschen Popliteratur agieren (Christian Kracht, Eckhart Nickel, Peter Glaser, Maxim Biller u.a.).
- Betreuer: PD Dr. Bernd Hamacher
- Förderung: Promotionsstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung
- E-Mail: k.steenbock"AT"freenet.de
Sarah Steidl: Fluchtlinien. Narrative von Entortungs- und Grenzerfahrungen in literarischen Texten des frühen 21. Jahrhunderts (Arbeitstitel)
Die deutsche Gegenwartsliteratur nimmt die aktuellen Dramen um Flucht inner- und außerhalb der ‚Festung Europa‘ sowie die politischen Debatten um Teilhabe der Geflüchteten an ‚unserer‘ Gesellschaft seismografisch auf. Immer mehr Autoren leihen dabei über ihre Figurengestaltung jenen eine Sprache, denen – nicht zuletzt aufgrund von Traumata – noch keine Sprache zur Verfügung steht. Das Promotionsprojekt macht es sich zur Aufgabe, Texte aus dem frühen 21. Jahrhundert zu Flucht und Vertreibung hinsichtlich ihrer Transformation des politischen in einen literarischen Diskurs zu ordnen. Welche ästhetischen Signaturen wählen die AutorInnen bei der Darstellung von Entortungs- und Grenzerfahrungen – welche Fluchtlinien zeichnen sie in ihren Texten? Gegenwärtig lässt sich konstatieren, dass zu dieser Thematik veröffentlichte Romane und Graphic Novels sich auf zweifache Weise auch den Geflüchteten selbst öffnen: Zum einen richten sich einige Texte durch mehrsprachige Schreibverfahren nicht mehr ausschließlich an eine deutschsprachige Leserschaft, zum anderen werden bestimmte Teile mancher Texte als von Geflüchteten geschrieben ausgestellt. Eine somit angedeutete ‚Co-Autorschaft‘ sowie die öffentlichen Autorenberichte über Recherchen in Flüchtlingslagern regen an, diese aktuelle ‚Flucht-Literatur‘ auch als Teil einer neuen Protokoll-Literatur zu rezipieren. Zudem sind immer wieder intertextuelle Referenzen zur ‚klassischen‘ Exilliteratur auffällig. Zwischen historischen Rekursen einerseits und dem Bemühen um größtmögliche Aktualität andererseits changierend, ist zu klären, inwiefern gegenwärtige Flucht-Narrative auch eine Gegenrede zu politischen Diskursen formulieren.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr und Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Seit April 2016 Stipendiatin im Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften; 2015-2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Mercator-Projekt „Geteilte Erfahrung Migration im deutsch-türkischen und türkischen Film“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2013 Stipendiatin in der vom DAAD geförderten „Germanistischen Institutspartnerschaft: Hamburg – Istanbul“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: sarah.steidl"AT"uni-hamburg.de
Hannah Stollmayer: Das „Pop-Theater“ der 2000er Jahre: Massenmedien und Populärkultur auf den Bühnen des deutschsprachigen Stadttheaters
Im Jahr 2000 übernimmt Tom Stromberg die Intendanz des Schauspielhauses Hamburg und holt u. a. die Theatermacher Stefan Pucher, René Pollesch und Studio Braun, allesamt Vertreter des sogenannten Pop-Theaters, an das größte deutsche Sprechtheater. Die Populärkultur zieht in eine der letzten Instanzen der Hochkultur ein, wofür das Schauspielhaus 2005 von der Kritik zum „Theater des Jahres“ gewählt wird. Es ist evident, dass seitdem sowohl inhaltlich als auch strukturell massenmediale Phänomene aus der Populärkultur in den Theaterarbeiten der Gegenwart sehr präsent sind. Das Anliegen dieser Dissertation ist es, die bisher lediglich deskriptive Betrachtung des Pop-Theaters aus der Peripherie in das Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen zu holen und so eine bestehende Forschungslücke anzugehen. Diese Arbeit möchte dabei sowohl einen systematischen Beitrag zum Verständnis der theatralen Strategien im zeitgenössischen Theater leisten als auch eine der ersten Analysen bieten, die Pop als ein theatrales Konzept auffasst und darlegt. Anhand ausgewählter Inszenierungen seit 2000 bis zur Gegenwart gilt es, spezifische Methoden und Strategien im Hinblick auf die Verarbeitung von populärkulturellen Phänomenen zu analysieren sowie die Funktion dieser massenmedialen Pop-Phänomene für die bestehende Theaterlandschaft herauszustellen. Dies geschieht, indem vier in der zeitgenössischen Populärkultur vorherrschende Strukturelemente daraufhin untersucht werden, wie sie im Theater Verwendung finden: Eventisierung, Subjekt-konstitution, Inklusion/Exklusion, Transformation/Transgression. Dabei wird die These ver-folgt, dass Pop-Theater spezifische Problematiken und Diskurse der aktuellen Gesellschaft auf die Bühne bringt – z. B. das Streben nach Gemeinschaft bei gleichzeitiger Erfüllung hedonis-tischer Individualziele – und so einen rein strukturell ästhetischen Charakter überschreitet und das Theater als soziale Institution nutzt, sich folglich innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaftsstrukturen konstituiert und seine Funktion als reflektierendes Abbild der Gesellschaft wahrnimmt.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
Carla Swiderski: Das Menschliche spiegelt sich im Blick der Tiere. Auflösung und Neudefinition des Menschen in der Exilliteratur
Wenn von Exil gesprochen wird, ist eine Extremsituation gemeint, die eine unfreiwillige Emigration nach einer existenziellen Bedrohung und einem gesellschaftlichen Ausschluss bezeichnet. Doch trifft der gesellschaftliche Ausschluss die meisten Exilierten nicht erst im Exil. Schon zuvor wurden sie zumeist auf sprachlicher, gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene ausgegrenzt. Im NS-Staat wurde die verbale Diffamierung und öffentliche Diskriminierung der Verfolgten vor allem durch eine gezielte Analogisierung mit Tieren vollzogen, kombiniert mit bakteriologischer und rassistischer Terminologie. Wie reagierten die im Exil lebenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ihren Texten auf die Situation, dass sie in einer Sprache denken und schreiben, die dazu benutzt wurde, ihnen ihr Menschsein abzusprechen? Welche Auswirkungen haben die erlebte Diskriminierung und der gesellschaftliche Ausschluss auf das Selbstverständnis der Exilierten als Menschen? Werden gesellschaftliche Machtverhältnisse reflektiert sowie das Konzept der Mensch-Tier-Dichotomie als Teil dessen hinterfragt? Gibt es eine Kritik an der Gesellschaft, die zu alternativen Entwürfen führt? Von diesen Fragen geleitet wird in diesem Dissertationsprojekt die Konstruktion von ‚Mensch‘ und ‚Menschlichkeit‘ sowie die direkt damit verbundene Verhandlung des Mensch-Tier-Verhältnisses in deutschsprachigen literarischen und philosophischen Exiltexten untersucht, die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: carla.swiderski"AT"studium.uni-hamburg.de
Jule Thiemann: Der postmigrantische Flaneur. Interurbane Fremdheiten in Berliner Stadttexten der Jahrtausendwende (Arbeitstitel)
Der Flaneur wird sowohl als soziokulturelle Figur städtischen Erlebens als auch literarische Funktionsform verstanden. Literarische Flanerien basieren auf Narrativen zum Wechselverhältnis von Wahrnehmung und Reflektion bei einer sich im urbanen Raum bewegenden Erzählinstanz.
Als Figur des (Auf-)Lesens und Übersetzens urbaner Dynamiken und Details in Schrift steht die literarische Funktionsform des Flaneurs heute vor der Herausforderung, die globalisierte Großstadt und deren Codes in all ihren postmodernen, multimedialen Facetten zu dechiffrieren.
Ausgehend von diesem Beobachtungs- und Übersetzungsauftrag, der dem Flaneurkonzept traditionell eingeschrieben ist, stellt sich die Frage, wie die Flaneurfigur der Literatur auf aktuelle urbane Tendenzen wie Globalisierung und Migration, Technisierung und Digitalisierung reagiert. Berliner Stadtansichten aus der Feder postmigrantischer Autoren und Autorinnen könnten in der Gegenwartsliteratur ein eigenes Genre bilden, so zahlreich sind sie aufzufinden. Auffällig häufig stößt man während der Lektüre auf Parallelen in der Konstruktion der Erzählinstanz: Die Protagonisten dieser Stadtnarrative weisen verstärkt klassische Merkmale der Flaneurfigur auf oder reihen sich gar durch intertextuelle Verweise in die Figurentradition des Flaneurs ein. Diese Feststellungen geben Anlass, die Funktionsform der literarischen Flanerie in Hinblick auf solche Stadttexte Berlins fruchtbar zu machen, in denen sich die Protagonisten in einem postmigrantischen Status befinden. Die der Arbeit zugrunde liegende These ist, dass Texte, die im Anschluss an einen Migrationsprozess entstehen und deren Sujet die neue Heimatstadt ist, mit der Funktionsform des Flaneurs strukturiert sind und Parallelen in Inhalt und Form aufweisen.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr in Joint PhD-Kooperation mit Prof. Dr. Martina Möllering (Macquarie University Sydney/Australien)
- Zuordnung/Förderung: Seit August 2016 Stipendiatin im Joint PhD-Programm der Universität Hamburg an der Macquarie University Sydney/Australien; 2013-2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2015 Stipendiatin in der vom DAAD geförderten „Germanistischen Institutspartnerschaft: Hamburg – Istanbul“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: jule.thiemann@uni-hamburg.de(jule.thiemann"AT"uni-hamburg.de)
Alexianna Tsotsou: Das Deutschlandbild in den griechischen Zeitungen: eine korpusorientierte diskurslinguistische Analyse
Meine Dissertation beschäftigt sich mit dem Image von Deutschland in vier griechischen Zeitungen im Zeitraum 2001-2013. Der Begriff „Image“ wird in dieser Arbeit als kognitive Einheit bzw. Gesamtheit von Vorstellungen, Bewertungen und Gefühlen einem anderen Land (in diesem Fall: Deutschland) gegenüber verstanden und auf die sprachlichen Mittel ihrer diskursiven Konstruktion hin untersucht. Methodologisch kombiniert die Arbeit eine quantitative korpuslinguistische Analyse mit dem qualitativen diskurshistorischen Ansatz der Kritischen Diskursanalyse. Durch die analytischen Kategorien der Schlüssellexeme und der Kollokationen einerseits, der thematischen Analyse, Intertextualität und diskursiven Strategien andererseits werden die Eigenschaften herausgearbeitet, die Deutschland in der griechischen Presse zugeschrieben werden. Das Image Deutschlands in der griechischen Presse wird dabei sowohl diachronisch untersucht und dabei mit dem soziopolitischen Kontext (u.a. der griechischen Finanzkrise) in Beziehung gebracht, als auch synchronisch analysiert, wobei die Haltung der einzelnen Zeitungen Deutschland gegenüber unter die Lupe genommen wird.
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
- Zuordnung/Förderung: Stipendiatin der Alexander-Onassis-Stiftung
- E-Mail: tsotsou"AT"gmail.com
Lena van Beek: Riesen in der Literatur des Mittelalters
Was ist ein Riese? Diese Frage lässt sich vermeintlich leicht beantworten: Er ist sehr groß. Darüber hinaus wird es mit der Typologie des Riesen aber komplexer: Im Ausgang des Mittelalters beginnen laut Hans Fromm die Konturen zwischen Helden und Riesen zu verwischen und zu einer „einzigen Vorstellung“ zusammenzuschmelzen. Beginnt dieser Prozess erst zu diesem Zeitpunkt oder ist er schon älter? Gibt es überhaupt eine klare Trennung zwischen Riese und Heros? Und hat man im Mittelalter an Riesen geglaubt? Die Untersuchung folgt allgemein der Leitfrage nach den Konzeptionen des Riesen in der christlichen, naturwissenschaftlichen und der literarischen Texttradition des Mittelalters. Je nach Text liegt eine seltsame Mixtur niederer Mythologie, biblischer Wahrheit und antiker Einflüsse vor. Wenn sich, wie erwartet, ein Mosaik unterschiedlicher Wahrnehmungen und Vorstellungen von Riesen in den Texten belegen lässt, wird sich die Arbeit gegenüber früheren Pauschalaussagen der Forschung durch eine differenzierte historisch-anthroplogische Analyse positionieren.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: lena.van.beek"AT"uni-hamburg.de
Annika Vieregge: Sprachliche Zweifelsfälle aus der Sprecherperspektive
Obwohl die Perspektive der Sprecher_innen für das Phänomen der Zweifelsfälle entscheidend ist, ist gerade diese in der Forschung bisher kaum untersucht worden. Jedoch können Zweifelsfälle nicht isoliert betrachtet und allein als Varianz im System beschrieben werden: Der Diskurs über Zweifelsfälle trägt immer auch zu ihrer Wahrnehmung auf Seiten der Sprecher_innen bei und kann somit auch den Sprachgebrauch beeinflussen. Ziel dieses Dissertationsprojektes ist es daher, die Sprecherperspektive in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, wie Spracheinstellungen und das Wissen über sprachliche Normen die Wahl einer Zweifelsfallvariante beeinflussen. Dafür wird sowohl der Sprachgebrauch der Sprecher_innen als auch ihre metasprachliche Reflexion betrachtet.
Annette Vieth: Fremdheimaten. Trauma-Narrationen in Ingeborg Bachmanns Malina, Monika Marons Stille Zeile Sechs und Terézia Moras Alle Tage (Arbeitstitel)
Traumata zeichnen sich v. a. durch ein schmerzliches Zerbrechen von Sinn und Bedeutung aus. Sie markieren radikale Einschnitte, die nicht nur das Leben der Betroffenen nachhaltig aus der Bahn werfen, sondern zumeist auch ihr soziales Umfeld affizieren. Kollektiv erlebte Traumata vermögen zudem, ganze Gesellschaften zu erschüttern, wie die jüngsten Terroranschläge in Paris und Brüssel oder die Erfahrungen zahlloser Flüchtlinge zeigen, die weltweit vor Krieg, Gewalt und politischem Terror fliehen. Die Literatur war und ist vermutlich schon immer sowohl ein Spiegel als auch ein mentalisierendes Behältnis (Containment) für solche tiefgreifenden Erlebnisse gewesen, wie nicht zuletzt die großen (religiösen) Mythen der Menschheitsgeschichte nahelegen. Mit dem Verweis auf eine fundamentale Notwendigkeit menschlicher Sinnproduktion reflektiert die Thematik des Traumas dabei zugleich Kernprobleme sprachlicher Repräsentations- und Symbolisierungsprozesse, des hermeneutischen Verstehens ebenso wie des Narrativen.
Die interdisziplinäre Studie geht diesen Aspekten exemplarisch anhand von Texten dreier repräsentativer Gegenwartsautorinnen nach, die sich intensiv mit den Interferenzen zwischen individuellen Traumatisierungen und dem kulturellen und soziopolitischen Kontext, in dem diese stattfinden, beschäftigt haben. Ingeborg Bachmanns Malina (1971), Monika Marons Stille Zeile Sechs (1991) sowie Terézia Moras Alle Tage (2004) fokussieren die Erbschaften von Faschismus und Diktatur mitsamt den historischen Folgeentwicklungen im Rahmen der europäischen Neuordnung nach 1989 so gerade in ihren traumatisierenden Effekten. In einem tiefenhermeneutischen Close (Re-)Reading werden die Romane auf der Grundlage aktueller Traumatheorien daher detailliert danach befragt, wie diese jeweils vom Trauma ‚sprechen‘ und dabei gerade das ‚Unbegreifliche‘ daran erfahrbar machen. Die daraus gewonnenen textanalytischen Befunde werden im Hinblick auf übergeordnete literatur- und kulturtheoretische Fragen bearbeitet.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr (Erstgutachten), Prof. Dr. Angela Moré (Universität Hannover; Zweitgutachten)
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied an der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2012 Stipendiatin im BMBF-/DAAD-Projekt „Interkultureller Topos Hafenstadt: Mumbai und Hamburg im medialen Vergleich“ an der University of Mumbai (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: j.a.vieth"AT"gmx.de
Wiebke Vorrath: Hörlyrik der Gegenwart. Theorie und Aisthesis auditiver Poesie in digitalen Medien
Das Phänomen der Hörlyrik hat in der germanistischen Lyrikforschung bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren. Dieses Dissertationsprojekt dient daher einerseits der Theorieentwicklung und andererseits der Erarbeitung von Analysemethoden für das Genre. Hörgedichte – lyrische Texte, die eingesprochen und auditiv rezipiert werden – sind als Schwellenphänomene zu begreifen: Sie sind zwischen Skripturalität und Oralität anzusiedeln, da sie schriftlich konzipiert, mündlich dargeboten sowie digital gespeichert und distribuiert werden. Eine angemessene Theoretisierung und Analyse des Untersuchungsgegenstandes erfordert einen interdisziplinären Ansatz, durch den Theoriekonzepte aus Medien- und Theaterwissenschaft (zu Mediatisierung, Intermedialität und Performativität) sowie aus Sound Studies und der Stimmforschung für die Untersuchung des hybriden Phänomens fruchtbar gemacht und in die Lyriktheorie integriert werden können. In einem induktiven Verfahren wird anhand von Hörgedichten von Lyriker*innen wie Bas Böttcher, Nora Gomringer, Albert Ostermaier und Cia Rinne erprobt, inwiefern die Ansätze Modifizierungen bedürfen und mit konventionellen Methoden der Lyrikanalyse verknüpft werden können. Daraus wird ein Analysemodell entwickelt, das abschließend in umfassenden Analysen Anwendung findet.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Landesforschungsinitiative, Projektmitarbeiterin „Performing Poetry. Mediale Übersetzungen und situationale Rahmungen zeitgenössischer Lyrik" (2015-2017); Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik (2018)
- E-Mail: wiebke.vorrath"AT"uni-hamburg.de
Jonas Wagner: „theory of mind“, diskursive und pragmatische Basisqualifikationen – Kategoriendiskussion und empirische Analysen im Vorschulalter
- Betreuung: Prof. Dr. Angelika Redder
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiter BMBF-Projekt "MuM-Multi"
- E-Mail: jonas.wagner"AT"uni-hamburg.de
Robert Wegener: Ehre und Scham in ausgewählten Erzähltexten der deutschen und der türkischen Literatur (Arbeitstitel)
Das Ziel dieser Arbeit ist, zentrale Ergebnisse der Forschung zu Ehre und Scham für die Interpretation ausgewählter Texte aus der deutschen und türkischen Erzählliteratur fruchtbar zu machen. Beide Phänomene verweisen auf existentielle soziale Grenzverletzungen, durch die gesellschaftliche und individuelle Werte in fiktionalen Texten verdeutlicht und damit diskursiv verhandelbar werden. Die Reaktion der Figuren auf Risse in der sozialen Ordnung eröffnen ihnen (sowie den Lesern) die Möglichkeit der Reflexion über die Verfasstheit dieser Ordnung selbst. Während entweder zu „Scham“ oder „Ehre“ in der deutschsprachigen Literatur bereits zahlreiche Arbeiten vorliegen (für die türkischsprachige Literatur deutlich weniger), ist die Untersuchung der Beziehung zwischen Ehre und Scham in beiden Literaturen bisher noch ein Desiderat. Bei den Textanalysen gilt der Konstellation von Erzähler und Figuren besondere Aufmerksamkeit, denn von Scham und Ehrvorstellungen bestimmte Interaktionen finden nicht nur zwischen den Figuren statt, die narrative Instanz ist jeweils mit involviert. Von daher werden beim methodischen Vorgehen der narratologische Ansatz von Genette mit Theoremen aus der Scham- und Ehreforschung zusammengeführt. Die ausgewählten Texte sind: Effi Briest (Theodor Fontane), Fräulein Else (Arthur Schnitzler), Radetzkymarsch (Joseph Roth), Die verlorene Ehre der Katharina Blum (Heinrich Böll), Leyla (Feridun Zaimoğlu), Yılanı Öldürseler (Yaşar Kemal), Mutluluk (Zülfü Livaneli), Her Temas Bir İz Bırakır (Emrah Serbes).
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr
- Zuordnung/Förderung: Assoziiertes Mitglied der Arbeitsstelle Interkulturelle Literatur- und Medienwissenschaft (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
Britta Wittchow: Über räumliche, zeitliche und sphärische Grenzen – Das diskursive Potential medialer Transgressionsprozesse in spätmittelalterlichen Liebes- und Abenteuerromanen
(Bis auf die Drucklegung Promotion abgeschlossen.)
In meiner Dissertation geht es um erzählte mediale Prozesse in den aufs späte 13. Jahrhundert datierten Texten Apollonius von Tyrland (Heinrich von Neustadt) und Reinfried von Braunschweig (anonym überliefert). Beide Texte verbindet neben inhaltlichen, erzählerischen und forschungsgeschichtlichen Ähnlichkeiten die Zuordnung zu der (durchaus umstrittenen) Textsorte ,Liebes- und Abenteuerroman ‘ und – so die ausschlaggebende Beobachtung – eine bestechende Fülle, Vielfältigkeit und Exzeptionalität an erzählten medialen Phänomenen. Sie stellen in vielfältiger Variation das Bemühen von Figuren um eine Formatierung von Informationen, die diese befähigt, Distanzen unterschiedlicher Art zu überbrücken, dar und zeigen damit ein ausgeprägtes Interesse dafür, wie Informationen Gestalt annehmen, zugänglich, mobil, oder stabil werden.
Medien lassen sich als Ergebnisse des anthropologischen Bemühens bezeichnen, die Grenzen, die die Beschränktheit des menschlichen Körpers der direkten Mitteilung setzt, zu überwinden. Literarische Darstellungen medialer Prozesse geben im Raum des Imaginären den Blick frei auf die im alltäglichen Gebrauch häufig unreflektiert bleibenden und kulturbildende Funktionen und Effekte medialen Handelns, die medialen Konventionen und denkbaren Möglichkeiten und Grenzen vermittelter Kommunikation.
Mit meiner Arbeit frage ich vor allem nach der Funktion solcher Darstellungen für den medientheoretischen Diskurs, den die Texte entfalten bzw. für die Diskurse, die mit Fragen der Medialisierung verknüpft sind. Daneben geht es auch darum, die beiden bislang kaum umgehend erforschten Texte in einer themenzentrierte Lektüre weiter aufzuarbeiten und die Fruchtbarkeit eines auf mediale Prozesse fokussierten Blickwinkels bei der Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Texten mit einem Seitenblick auf die Relevanz des Themenkomplexes für gattungstheoretische Diskussionen zu erproben.
Analysiert werden die einzelnen medialen Strategien (Botendienste, Brieftexte, Körpertechniken, Denkmäler, Loblieder, Gebete, Prophetien, Himmelszeichen, Träume und magische Objekte) jeweils vor dem Hintergrund der zentralen Herausforderungen, an denen die mediale Aufarbeitung arbeitet – dem entweder räumlich, zeitlich oder sphärisch differenten Status der Kommunikationspartner. Jede dieser Dimensionen birgt andere Herausforderungen, zeigt andere Möglichkeiten, markiert andere Grenzen und dementsprechend drängen sich jeweils andere Fragestellungen und Diskurse auf.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Baisch (Hamburg), Prof. Dr. Jutta Eming (FU Berlin)
- E-Mail: britta.wittchow"AT"uni-hamburg.de
Laura Franziska Wittwer: Kind und Kindheit in Franz Kafkas Werken
‚Viele Kinder‘ sollen – wie schon Walter Benjamin anmerkte – Kafkas Texte auf eine zugleich permanente und subtile Weise bevölkern; darauf hat die Kafka-Forschung schon vor vielen Jahren hingewiesen. Nichtsdestotrotz fehlt es weiterhin an einer umfassenden und systematischen Analyse des Motivs der Kindheit und des Kindes in Kafkas Werken. In diesem Forschungsvorhaben soll offengelegt werden, wie stark sich das Infantile in Kafkas Œuvre trotz aller externen Versuche des Verständlich- und Verfügbarmachens durch eine konstitutive Instabilität und Unverfügbarkeit auszeichnet. Schließlich verknüpfen gerade derart ambivalente Ursprünglichkeitsphantasmagorien die Diskursphänomene ‚Kind(heit)‘ und ‚Kunst‘ um 1900. Das Hauptaugenmerk der Dissertation gilt daher Kafkas Figuration von Kind und Kindheit als poetologischem Reflexionsraum vor der Folie zeitgenössischer Diskurse und literarischer Prätexte.
- Betreuung: Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: laura.franziska.wittwer"AT"uni-hamburg.de
Christian Wobbeler: Theatrum vanitatis – barocke Vergänglichkeit, Flüchtigkeit und Schein in zeitgenössischen Theaterinszenierungen
Trotz der immer wieder konstatierten These der Todesverdrängung in westlichen Gesellschaften zeigt sich seit einigen Jahren vermehrt eine intensive Reflexion über Vergänglichkeit und Tod in den Gegenwartskünsten. Diese künstlerischen Auseinandersetzungen weisen sich dabei durch einen auffälligen Bezug auf den Vanitas-Topos des 17. Jahrhunderts aus. Das interdisziplinär angelegte Promotionsvorhaben widmet sich der Frage, inwiefern in zeitgenössischen Theaterinszenierungen von u.a. René Pollesch, Kay Voges und Antú Romero Nunes Bezugnahmen auf diesen frühneuzeitlichen Topos mitsamt seiner spezifischen Bildlichkeit und Semantik nachzuweisen sind und welchen mit dieser Wiederholung einhergehenden semantischen Reduktionen, Umdeutungen oder Entleerungen die Rekurse unterliegen. In sowohl semiotisch als auch phänomenologisch orientierten Aufführungsanalysen sollen dabei zum einen die intermedialen Bezugnahmen auf die aus der bildenden Kunst und Literatur stammenden Vanitas-Symbole wie zum Beispiel dem Schädel als visuelle Inszenierungsstrategien untersucht werden. Zum anderen sollen die durch die Verwendung ephemerer Theatermittel vollzogene Rematerialisierung von Vergänglichkeitssymbolen wie beispielsweise Rauch als intermaterielle Bezugnahmen, die eine selbstreflexive Zeitinszenierung und -erfahrung ermöglichen, im Fokus der Untersuchung stehen. Darüber hinaus wendet sich das Vorhaben auch solchen Inszenierungen zu, die eine Aktualisierung der dem Vanitas-Topos verwandten Theatrum-mundi-Metapher vornehmen und diese für eine kritische Reflexion der gegenwärtigen Inszenierungs-, Konsum- und Erlebnisgesellschaft instrumentalisieren. Eine Analyse aller genannten künstlerischen Strategien soll ferner zeigen, welche Rückschlüsse über den Umgang und die Reflexion über Tod, Vergänglichkeit aber auch Scheinhaftigkeit in der Gegenwartsgesellschaft gezogen werden können.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Claudia Benthien
- E-Mail: christian.wobbeler"AT"uni-hamburg.de
Philipp Wulf: Komisierendes Schreiben im Nach-Exil bei Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler
Der in der Exilliteraturforschung heute geläufige weite Exilbegriff, der nicht mehr nur die Texte von den aus Nazideutschland exilierten SchriftstellerInnen aus der Zeit zwischen 1933 bis 1945 umfasst, vermag es, bisher randständige AutorInnen in den Mittelpunkt des Interesses des Forschungszweigs zu rücken. Solche Texte, die die wiederbereiste Heimat als entfremdete oder verlorene behandeln, die somit die Erfahrung von Heimatverlust als definitiv beschreiben, markieren das Nach-Exil als ihren geografisch unspezifischen Entstehungsort. Eine Strategie zur literarischen Auseinandersetzung mit Entwurzelung sowie zur Entgegnung auf antisemitische Kontinuitäten stellt die Komik dar, derer sich in ihren Schreibweisen auf je verschiedene Art die drei österreichischen jüdischen Autoren Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler bedienen. Ihr sonst heterogenes Werk, das von der Exilforschung erst noch erschlossen werden muss, weist ihren gemeinsamen Geburtsort Wien immer wieder als entfremdeten aus. In den äußerst verschiedenen Komiken der drei Autoren manifestiert sich zudem die generelle Problematik einer stringenten Komiktheorie, die mit Rekurs auf die Tradition des jüdischen Witzes, und unter Berücksichtigung der spezifischen historischen Situation diskutiert wird. Das Ziel der Forschungsarbeit besteht damit in der Erschließung der ästhetischen Strategie Komik vor ihrem (individual-)historischen Hintergrund des (Nach-)Exils.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Förderung: Landesgraduiertenförderung
- E-Mail: philippjwulf"AT"gmail.com