Linguistisches Forschungskaleidoskop:Vortrag von Natalia Filatkina
2. Februar 2021, von Webredaktion IfG
Am 05.02.2021 von 14-16 Uhr trägt Prof. Dr. Natalia Filatkina (Universität Hamburg) im linguistischen Forschungskaleidoskop vor. Im Folgenden ein Abstract zum Vortrag:
Mehrsprachige Sprachlehrwerke aus der Frühen Neuzeit
Der Vortrag widmet sich einer Gruppe von Quellen, die in der Überlieferungsgeschichte einmalig sind und bis jetzt kaum linguistisch untersucht wurden. Gemeint sind historische Fremdsprachenlehrwerke, die seit dem 15. Jh. im gesamten europäischen Raum für die Vermittlung des Wissens über vormoderne Volks- oder Vernakularsprachen auf allen Ebenen (Orthographie, Aussprache, Grammatik und Lexik) sowie über das kulturell und sozial kompetente Handeln mit Sprache(n) (Pragmatik) in alltäglichen Kommunikationssituationen in fremden Ländern benutzt wurden. Die Lehrwerke sind mehrsprachig angelegt und können zwischen zwei und acht Vernakularsprachen enthalten, manchmal in Kombination mit dem Lateinischen. Vor dem 18. Jh. sind die Lehrwerke von nicht pädagogisch ausgebildeten Sprachmeistern verfasst. Sie bilden hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft und der allgemeinen Bildung eine extrem heterogene Gruppe, die politische und Glaubensflüchtlinge, Soldaten, Tanzmeister, Handwerksgesellen, verarmte Adlige, Kaufleute, ehemalige Offiziere (oft mit beeindruckenden Auslandserfahrungen), ehemalige Diplomaten und Priester, aber auch hochgelehrte Hugenotten und promovierte Universitätssprachmeister einschließt. Die Lehrwerke richteten sich an junge Adlige bzw. Bürgerliche; sie wurden während ihrer Bildungsauslandsreisen (Grand Tour), im Privatunterricht mit einem Sprachmeister im eigenen Land und seit dem Ende des 17. Jhs. auch im öffentlichen schulischen Unterricht benutzt, mit dem praktischen didaktischen Ziel des Erwerbs der gelungenen Kommunikation in einer fremden Sprache und Kultur. Im Vortrag wird der sprach- und kulturhistorische Wert dieser Quellen an einzelnen Beispielen aufgezeigt, vor allem auf der Hintergrundfolie der Mehrsprachigkeit der Texte, ihrer Nähe zur Alltagskommunikation, der Materialität, ihrer Autoren, die keine barocken Gelehrten/Sprachtheoretiker waren, sowie mit Blick auf ihre Entstehungszeit, in der es für die meisten europäischen Sprachen noch keine etablierten Normen und überregionalen Standards gibt.
Der Vortrag findet digital auf Zoom statt und ist Teil des linguistischen Forschungskaleidoskops am Institut für Germanistik im Wintersememster 2020/21. Eine Übersicht über die weiteren Vorträge und die Zoom-Zugangsdataen finden Sie unter folgendem Link:
https://www.slm.uni-hamburg.de/germanistik/ueber-das-institut/aktuelles/2020/2020-10-12-forschungskaleidoskop-wise20-21/plakat-forschungskaleidoskop-20-21-a.pdf
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen!