Studentisches Lehrprojekt: Figurationen von 'Idiotie' im Werk Heinrich Matthias Sengelmanns' (1821-1899)SoSe 2022, montags 16-18 Uhr, digital über Zoom
28. März 2022, von Webredaktion IfG

Foto: Pixabay/jarmoluk
Die Studierenden Marisa Laugsch (Germanistik) und Manuel Bolz (Kulturwissenschaft) bieten im Rahmen des studentischen Lehrprojekts im Wahlbereich SLM I ein Seminar über das Werk 'Idiotophilus' von Heinrich Matthias Sengelmann. Gemeinsam wollen wir uns der historischen Quelle aus einer literatur- und kulturwissenschaftlichen Perspektive heraus annähern und danach fragen, wie hier mittels unterschiedlicher Gattungen, systematisches Lehrbuch, Aphorismus und Erzählung, "Idiotie" als Diagnose konstruiert wird.
Die Anmeldung ist auf Stine freigeschaltet, bei Interesse oder auch Schwierigkeiten bei der Anmeldung, freuen wir uns auch über persönliche Anmeldung via Email an Marisa.Laugsch@studium.uni-hamburg.de(marisa.laugsch"AT"studium.uni-hamburg.de) oder Manuel.Bolz@studium.uni-hamburg.de(manuel.bolz"AT"uni-hamburg.de).
Auszug aus dem Beschreibungstext von STiNE:
Heute oftmals als Beleidigung gebraucht, wurde der Begriff ‚Idiot‘ noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als medizinisch-psychiatrische Diagnose ‚geistiger Behinderung‘ verwendet, die sich mit den humanistischen Wissenschaften um 1800 herausbildete und zunehmend institutionalisierte. In seinem Werk ‚Idiotophilus‘ (1885) bündelte der Hamburger Pastor, Pädagoge und Gründer der Alsterdorfer Anstalten, Heinrich Matthias Sengelmann, das theoretische, historische und praktische Wissen der ‚Idiotie‘, mit dem Ziel, die humanitäre Hilfe im ‚Idiotenwesen‘ zu professionalisieren. Adressiert an „Vorstehe[r] und Leite[r] von Idioten-Anstalten, Pädagogen und Aerzte" umfasst der erste Band so das ‚Systematische Lehrbuch‘(Band I), dessen Inhalte Sengelmann mit dem zweiten Band für das Lehr- und Pflegepersonal in ‚Aphorismen‘und mit dem dritten Band für das öffentliche Publikum in Erzählungen ('Bilder') übersetzte.
Die systematische Aufbereitung der Inhalte und die besondere Form der Darstellung macht das dreibändige Lehrwerk vor allem aus Sicht der Disability Studies interessant, die ‚Behinderung‘ als ein kulturelles Phänomen in ihrer historischen Entwicklung untersucht und die Einflüsse von Medizin, Psychiatrie und Pädagogik kritisch einordnet.
Aus einer kultur- und literaturwissenschaftlichen Perspektive heraus wollen wir in der gemeinsamen Lektüre der übergeordneten Frage nachgehen, wie ‚Idiotie‘ als (heil-)pädagogische Diagnose erzählt und durch den Wechsel der Darstellungsformen figuriert wird. Hierbei interessiert uns vor allem, welchen Erzähl- und Argumentationsstrategien sich das Werk bedient und auf welches medizinische, pädagogische, philosophische, politische, religiöse, und historisch-anthropologische Wissen es verweist. Welcher Zusammenhang besteht so zwischen den literarisierten Darstellungsformen von „Idiotie", literaturtheoretischen Konzepten wie Autor:innenschaft, Erzählperspektive und poetischen Verfahren sowie kulturkritischen Perspektiven auf pädagogische Berufsbilder, Institutionengeschichtsschreibung der „Idioten-Anstalt" und das Verhältnis von Körperwissen, Macht und Geschlecht?
Das Seminar hat Projektcharakter. Daher werden wir gemeinsam Schwerpunkte setzen und die Arbeitsweisen, Methoden und das Material in den ersten Sitzungenmiteinander abstimmen.