Projektbeschreibung
Sprache und Medien prägen unseren Alltag – sie sind Ausdruck unserer Werte und Normen und spielen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion beispielsweise von Geschlecht und Sexualität. Auf diese Weise kommt auch den Begriffen, die wir verwenden, wenn wir über queere Menschen sprechen und schreiben (also Personenbezeichnungen), eine zentrale Rolle zu. Wer wird wie bezeichnet? Schließen Begriffe queere Personen ein und/oder aus? Welche Konzepte und Konnotationen sind mit unterschiedlichen Begriffen verbunden? So könnte in einem konkreten Fall die Personengruppe identisch sein, auf die mit lesbisch oder homosexuell referiert wird, aber die Bedeutung der beiden Begriffe unterscheidet sich und somit auch die Implikationen.
Vor diesem Hintergrund scheint ein genauerer Blick auf die verkürzten Personenbezeichnungen LSBT, LSBTQ usw. ertragreich. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive handelt es sich bei diesen Formen um Kurzwörter – also „eigenständige lexikalische Einheiten, die aus einer längeren Wortschatzeinheit durch Kürzung verschiedener Elemente entstanden sind“ (Steinhauer 2014) und im Gegensatz zu Abkürzungen lautlich meist nicht aufgelöst werden (vgl. allg. Kobler-Trill 1994, Michel 2011, Steinhauer 2014). Die hier behandelten Kurzwörter sind nach gängiger Typologie als multisegmentale Initial-Kurzwörter einzuordnen (vgl. Steinhauer 2014), da sie aus mehreren Segmenten bestehen und aus den ersten Bestandteilen der Vollform gebildet werden (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans- …). Bei der Semantik (also der Bedeutung) von Kurzwörtern ist man oft von einer Synonymie ausgegangen, verschiedene Ansätze zeigen jedoch, dass sich Kurzwörter mit der Zeit von ihren Vollformen lösen oder sie diese sogar ersetzen können – dies betrifft auch die Referenz (vgl. Michel 2011: 136).
Als eine der wenigen Arbeiten zu Kurzwörtern auf Basis von LSBT kann Scheller-Boltz‘ (2017) theoretische Behandlung genannt werden. Er diskutiert Form und Funktion dieser Kurzwörter und sieht die stets erweiterten Formen (bis hin zu LGBTTQQFAGPBDSM) kritisch. Da alle Abkürzungen dieser Art Kategorien repräsentieren und konstruieren, können sie seines Erachtens auch nicht synonym zu queer verwendet werden (vgl. Scheller-Boltz 2017).
Es scheint also nicht nur für die Auflösung eines wissenschaftlichen Desiderats, sondern auch aus gesellschaftlichen Gründen – gerade für die queere „Community“ – geboten, die mediale Verwendung von LSBT-Kurzwörtern genauer zu erforschen. Dies bedeutet eine Untersuchung der Sichtbarkeit queerer Menschen in und außerhalb der „Community“. Sichtbarkeit bezieht sich hier auf das sprachliche Material – die konkreten Kurzwörter, die ganz subtil Konzepte, Verbindungen und Einstellungen transportieren und prägen.
Folgende Grafik fasst das Projekt zusammen:
Für die Umsetzung des Projekts sind folgende Schritte vorgesehen:
- Korpuserstellung bzw. Zugriff auf bestehende Korpora
- Aufbereitung der Daten (v. a. Annotation)
- Auswertung der Daten
- Darstellung und Veröffentlichung der Ergebnisse
Mehr über die Schritte und den aktuellen Stand des Projekts erfahren Sie unter: Projektberichte und erste Ergebnisse