Vortrag
zurück zur Programmübersicht
Sabine Wöhlke & Manuel Bolz
Personenbezogene Pflegekommunikation und Pflegehandeln in der klinischen Versorgung von trans*Kindern, Jugendlichen und deren Sorgeberechtigten
Die pflegerische Versorgung und Begleitung von transgeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen setzt einen kompetenten Umgang diversitätssensibler Pflege voraus. Dies behaltet eine Reflektion über Normen und Regelsysteme, die pflegerische Alltagspraxis, vor allem die pflegerische Kommunikation und Interaktion im Stationsalltag, prägen.
Unser Teilprojekt des interdisziplinären Forschungsverbundes TRANS*KIDS[1] mit der Universitätsmedizin Göttingen und der Universitätsmedizin Münster setzt hier an und widmet sich der aktuellen Pflegeinteraktion in klinischen Settings. Wir suchen nach bisher unsichtbar und möglicherweise auch unsagbaren Normen und Werteverständnissen, die als Hindernis einer wertschätzenden Pflege im Sinne des ICN-Pflegekodex präsent sind und zu stigmatisierendem und diskriminierendem Pflegeverhalten führen können.
Um die Pflegeinteraktion in Klinikkontexten zu ermitteln, nutzen wir ein qualitativ, sozialempirisches Forschungsdesign, indem wir leitfadengestützte Interviews mit Pflegekräften, die trans* Kinder und Jugendliche pflegen und betreuen, durchführen. Es werden ca. 10-15 Interviews durchgeführt. Die Interviews werden anschließend transkribiert und mithilfe der Software MAXQDA inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ein Ziel des Teilprojektes ist es, konkrete pflegerische Handlungskontexte und -logiken in der Betreuung von trans*Kindern und Jugendlichen differenziert nachzuzeichnen. In der vorläufigen Auswertung des Material zeigt sich, dass drei unterschiedliche Dimensionen in der konkreten Pflegekommunikation und -interaktion Störungen in der zugewandten
Pflegekommunikation begünstigen:
- das individuelle Pflegeverständnis,
- biografische Arbeitserfahrungen von Pflegenden und
- die pflegerischen Versorgungsinfrastrukturen, zu denen auch die Informations- und Wissensweitergabe im Krankenhaus und innerhalb des Teams zählen sowie die Einbindung von trans* Kindern und Jugendlichen in Pflege und Betreuung gehört. Weiterhin wird der Stellenwert des sozialen Netzwerkes deutlich, in das die Pflegenden und die trans* Kinder undJugendliche eingebettet sind, inkl. dem Stationsteam und Familienangehörige.
Es kann geschlussfolgert werden, dass die pflegerische Kommunikation mit trans* Kindern und Jugendlichen im Stationsalltag eine zentrale Rolle für stigmatisierendes Verhalten spielt, jedoch von verschiedenen Faktoren, wie individuelle, institutionalisierte und strukturierte Diskriminierungsformen und Herausforderungen im pflegerischen Alltag begünstigt werden.
Dies bietet Anknüpfungspunkte für Interventionen, z.B. durch Schulungsmaßnahmen in Fort- und Weiterbildungen.
[1] Vgl. TRANS*KIDS – Projekt zur Förderung eines nicht-diskriminierenden Umgangs mit jungen trans* Personen durch patientenorientierte Schulungsmaßnahmen im Gesundheitswesen, URL: https://transkids-studie.de (25/01/2022).
Prof. Dr. Sabine Wöhlke
ist Professorin für Gesundheitswissenschaften und Ethik am Department für Gesundheitswissenschaften der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Sie ist studierte Kulturanthropologin mit einem Schwerpunkt auf Gender Studies, und promovierte Medizinethikerin und Medizinanthropologin. Ihre interdisziplinäre Dissertation befasst sich mit dem Thema Organtransplantation: »Geschenkte Organe? Ethische und kulturelle Herausforderungen bei der familiären Lebendorganspende«. Von 2008-2019 war Frau Wöhlke als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen beschäftigt. Zudem verfügt sie über eine langjährige Berufserfahrung als Intensivpflegerin in der Universitätsklinik Göttingen. Von 2019-2010 hat sie die Professur für Pflege am Gesundheitscampus Göttingen vertreten.
Manuel Bolz, B.A.
studierte Empirische Kulturwissenschaft (vorher: Volkskunde/ Kulturanthropologie) und Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Hamburg im Bachelor und ist gegenwärtig am Ende seines Masterstudiums der Empirischen Kulturwissenschaft. Neben seinem Studium konnte er Projekt- und Lehrerfahrungen als studentische/r Hilfskraft, Angestellter und Tutor am Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Institut für Germanistik und in der Stabsstelle für Gleichstellung sammeln. Seine Bachelorarbeit hat er im Forschungsfeld der Medizinanthropologie zu Handlungsstrategien und Gesundheitskonzepten in der Hamburger Sexarbeit geschrieben. Seine Masterarbeit beschäftigt sich mit biografischen Gewalt- und Unrechtserfahrungen und Vorstellungen von (Un)Gerechtigkeit und vigilanter Gewalt.
zurück zur Programmübersicht