Vortrag Hiroshi Yamamoto„BIS ES knallt im lau/ern/den g/et/rei/de“. Grenzerfahrungen in den Collagengedichten Herta Müllers
18. Juni 2019, von Cornelia Gläser
Montag, 1. Juli 2019, 12 Uhr c.t.
Überseering 35, Raum 01048
Vortrag von Hiroshi Yamamoto (Tokio)
Seit mehr als zwei Jahrzehnten veröffentlicht die Nobelpreisträgerin Herta Müller mit Schere und Klebstoff hergestellte Bild-und Textcollagen, die u.a. die Form anonymer Erpresserbriefe parodieren. Der Vortrag geht von der Annahme aus, dass die Collagengedichte auf der thematischen wie auch der ästhetischen Ebene auf Grenzsituationen unter der rumänischen Diktatur verweisen, die nur die Wahl zwischen Suizid und Landesflucht ließen.
Wenn die Texte Lücken zwischen den Wörtern sichtbar machen und mitten in den Worten Schnitte vollziehen, kommen psychische Verletzungen zum Ausdruck, wie sie die Autorin durch die Zerstörung der zwischenmenschlichen Beziehungen erfahren musste. Andererseits ist im literarischen Verfahren, das einzelne Satzteile und Wortteile ins Blickfeld rückt, ein emanzipatorisches Moment auszumachen, das Einzelne aus der Menge heraustreten zu lassen. Es wird eine politische Konnotation erkennbar, so dass die Texte als Widerstand gegen gesellschaftliche Gleichschaltung interpretiert werden können. In seinem Vortrag stellt Yamamoto dar, welche ästhetische und gesellschaftskritische Relevanz Müllers Collagengedichten im Kontext der Lyrik des 21. Jahrhunderts zugewiesen werden kann.
Hiroshi Yamamoto ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Waseda-Universität, Tokio. Er ist Spezialist für zeitgenössische Literatur und hat mehrere Bücher von Herta Müller ins Japanische übersetzt.
Sein öffentlicher Gastvortrag findet im Rahmen des Master-Seminars „Lyrik im digitalen Zeitalter“ von Prof. Dr. Claudia Benthien statt. Interessierte sind herzlich eingeladen!