Grammatische Erscheinungen

Wichtige grammatische Erscheinungen zuerst lernen
Ausschlaggebend für die Entscheidung, was zunächst gelernt werden sollte, sind vor allem das Lernziel sowie sprachsystematische und lernpsychologische Faktoren. Wollen Sie nur Hören oder Lesen lernen, ist die Kenntnis bestimmter grammatischer Phänomene der Fremdsprache unwichtig, wenn sie zum Verstehen nichts oder wenig beitragen. Das gilt z.B. im Frz. für die meisten Verwendungsbedingungen des Konjunktivs in Nebensätzen oder im Dt. in der indirekten Rede. Das Wissen, daß es solche Formen dort gibt, reicht, um durch unbekannte Ausdrücke nicht verunsichert zu werden, bei diesen Lernzielen völlig aus.
Streben Sie eine aktive Beherrschung zur kommunikativen Bewältigung von einigen Grundsituationen ("Überleben im Ausland”) an, sind hingegen manche Grammatikbereiche sehr wichtig. Beispiele für das Deutsch.: Präsens und Perfekt (Ich komme aus Dresden. Ich habe in Hamburg studiert.), die bestimmte Frage (Woher kommst du? Hast du auch studiert?) und Aufforderungskonstruktionen (Bitte ruf’ mich morgen an. Würdest Du mich morgen anrufen?) sind zu bevorzugende Bereiche. Durch diese Auswahl können Sie schnell über sich und Ihre eigenen Erfahrungen mit Ihrem Gesprächspartner reden.
Auch sprachspezifische Eigenschaften können für das Lernen wichtig sein. Zu nennen ist zum einen die Häufigkeit bestimmter Strukturen: Im Dt. sind der Artikel und die Nominalflexion besonders häufig, während das Passiv und Partizipialkonstruktionen eher selten sind. Im Engl. sind to do-Konstruktionen besonders häufig. Zum anderen können grammatische Phänomene besonders wichtig sein, wenn sie aus der Muttersprache oder anderen Fremdsprachen unbekannt sind. Das gilt z.B. im Russ. für den Verbalaspekt und die Zahlwortmorphologie und -syntax.
Aus lernpsychologischer Sicht sind einfache Strukturen komplexen vorzuziehen, da Lernaufwand und -erfolg dort in einem günstigen Verhältnis stehen. Dies spricht bei Deutsch als Fremdsprache z.B. für die Bevorzugung der würde-Formen (Konditional), denn sie können im irrealen Bedingungssatz die morphologische komplexeren Formen des Konjunktiv II immer ersetzen.
Die genannten Kriterien der Wichtigkeit stehen allerdings zum Teil im Widerspruch zueinander.