Formulierungsstrategien
Forumlierungsstrategien
Vor dem Schreiben:
- Erleichtern Sie sich das Formulieren durch vorherige Festlegung der Schreibziele und der Schreibinhalte sowie durch sprachliche Übernahmen aus Ausgangstexten und Hilfsmitteln.
Während des Schreibens:
- Sorgen Sie für inhaltliche Kohärenz.
- Wenn Sie Anfänger sind: Vermeiden Sie komplizierte Sätze. Bilden Sie einfache Hauptsätze, von denen jeder einen Gedanken enthält. Einfache Formulierungen können Sie in der Überarbeitung immer noch in komplexeren Einheiten zusammenfassen.
- Wenn Sie fortgeschritten sind: Schreiben Sie einfach bei schwierigen Sachverhalten und komplex bei einfachen Sachverhalten. Verwenden Sie dazu die textgrammatischen Mittel der Verdichtung.
- Vermeiden Sie es, Ihren Text in der Muttersprache "vorzudenken" und dann zu übersetzen. Dies ist sprachlich schwieriger als ihn gleich in der Fremdsprache zu schreiben. Beim "Vordenken" legen Sie ohne Rücksicht auf Ihre Fremdsprachenkenntnisse einen Inhalt fest, beim fremdsprachlichen Schreiben können Sie ihn flexibel Ihren Ausdrucksmöglichkeiten anpassen und Schwierigkeiten von vornherein vermeiden.
- Versuchen Sie, eine gleichmäßige Schreibgeschwindigkeit zu erreichen, die Ihnen erlaubt, hinreichend gründlich zu formulieren, ohne dass dabei der rote Faden der Inhaltsgestaltung abreißt. Diese Balance zwischen Gründlichkeit und Fortschreiten ist bei jedem Menschen anders und variiert mit der Schreibaufgabe. Finden Sie Ihren Rhythmus heraus.
Ausgangstexte
Beim Schreiben von Texten greift der Autor immer auf sein Wissen zurück, mit dem er Inhalt und Gliederung plant. Eigenes Wissen ist jedoch selten die alleinige Schreibquelle. Meist greift der Schreiber daneben auf - eigene oder fremde - frühere Texte zurück, die er lesend verarbeitet hat und in seinem neuen Text fortschreibt. Er begründet damit beim Schreiben eine Intertext-Beziehung. Direkte Intertexte sind etwa Zusammenfassungen oder Brief-Antworten, weniger direkte Intertexte enthalten Inhaltsübernahmen oder Zitate. Die grundsätzliche Intertextualität der muttersprachlichen Kommunikation in Alltag und Schule macht sich auch der Fremdsprachenunterricht zunutze, indem er im Schreibunterricht mündliche Diskurse oder schriftliche Lesetexte anbietet, auf die die Lerner schreibend reagieren sollen. Diese Texte können in Schreibaufgaben u.a. folgende Funktionen haben:
- Information bereitzustellen, um das Gedächtnis zu entlasten.
- Ein Textmodell zu liefern, nach dessen Muster der Zieltext geschrieben werden soll.
- Als Ausgangspunkt für Intertexte zu dienen, die den Inhalt reduzieren, erweitern, umschreiben oder auf ihn reagieren.
- Einen Rahmen oder ein Textbruchstück zu bieten, das der Lerner kreativ ausfüllt oder ergänzt.
- Als Gegenstand einer Textinterpretation zu dienen.
Ausgangstexte liefern nicht nur Grundlagen für den Inhalt des Zieltextes, den der Lerner schreibt, sondern bieten gleichzeitig wichtige Informationen zu Textaufbau, Textgrammatik und Lexik. Wenn sie entsprechend analysiert werden, erleichtern sie neben dem Planen das Formulieren und ermöglichen das Erlernen von Sprache und Schreibstrategien.
Inhalt und Gliederung
Die inhaltliche Planung eines Textes beginnt mit der ungeordneten Sammlung von Gedanken (die aus dem eigenen Gedächtnis oder schon vorhandenen Texten stammen können). Sie endet mit einer sequentiellen Gliederung des Inhalts.
Als nützlich haben sich bei der inhaltlichen Planung eines Textes folgende drei Stufen erwiesen:
- Brainstorming: Ungeordnete und ungefilterte Niederschrift aller Einfälle und Gedanken, die dem oder den Schreibern zum Thema einfallen. Die Notation sollte im Prinzip in der Fremdsprache erfolgen, bei lexikalischen Lücken auch in der Muttersprache. Brainstorming ist besonders wirksam in der Lerngruppe, kann aber auch von einem Schreibenden allein durchgeführt werden.
- Mind Map: Zweidimensional vernetzte Notierung der Brainstorming-Ergebnisse in einer "Ideen-Karte", die die strukturellen Beziehungen zwischen den gefundenen Ideen widerspiegelt. Zentrum der Karte ist meist das Global-Thema des zu schreibenden Textes, vom dem Linien zu Unterthemen ausgehen, die ihrerseits miteinander verbunden werden können.
- Gliederung: Überführung der in der Mind Map vernetzt notierten Informationen in eine Abfolge von Punkten, die den Text inhaltlich gliedern. Dabei müssen auf der Grundlage von Schreibzielen und Textsorteneigenschaften Entscheidungen getroffen werden über Perspektivierung, Gewichtung, Sequenzierung und Verknüpfung des Inhalts. Gliederungen werden meist nach Punkten und Unterpunkten geordnet.
Je nach Textsorte können auch andere Formen der Inhaltsbereitstellung gewählt werden: Stichwortsammlungen, Pro- und Contra-Listen, imaginäre Dialoge, Schematisierungen des schriftlich zu behandelnden Sachfeldes usw. Exzerpte und Notizen aus thematisch einschlägigen Intertexten können die Ideengenerierung anreichern oder auch weitgehend ersetzen sowie die Gliederung vorbereiten.
Kohärenz
Inhaltliche Kohärenz ergibt sich aus der systematischen Abfolge und Verknüpfung der Gedanken in einem Text(-teil). Kohärenz wird sprachlich markiert durch die textgrammatischen Mittel der Kohäsion.
In oder zwischen einzelnen Sätzen kann Kohärenz gestiftet werden durch die sinnvolle Folge von
- Bekanntem, von dem schon die Rede war, und Neuem, über das etwas ausgesagt wird. Das "Bekannte" nennt man linguistisch das "Thema", das "Neue" das "Rhema". Ein falsch eingeführtes Thema oder Rhema kann das Verständnis stören. Beispiel
Innerhalb von größeren Textabschnitten wird Kohärenz hergestellt durch verschiedene "textlogische" Reihenfolge-Beziehungen wie:
- Allgemeines —> Besonderes, Ganzes —> Teile, Kernaussage —> Nebenaussage, Regel —> Beispiel, Ursache —> Wirkung, Früheres —> Späteres, Problem —> Lösung, Evaluation —> Ergebnis.
Diese Abfolgen können nicht nur wie oben vom Grundlegenden zum Spezifischen verwendet werden, sondern auch umgekehrt: vom Besonderen zum Allgemeinen, von den Teilen zum Ganzen usw. Mit der Umkehr können bestimmte Effekte erzielt werden (Spannung, Anschaulichkeit). Die Wahl solcher Ordnungsprinzipien ist oft kulturell determiniert und muss dann mit der Fremdsprache extra gelernt werden (vgl. im Englischen das paragraph writing, das bestimmten Regeln gehorcht).
Beispiel für Thema-Rhema-Beziehungen
Vergleichen Sie die Satzfolge (T bedeutet Thema= Bekanntes, R bedeutet Rhema=Neues)
a) "Franziska (T) studiert Sprachlehrforschung (R). Das Fach (T) gibt es an den Universitäten Bochum und Hamburg (R)."
mit der Satzfolge
b) "Franziska (T) studiert Sprachlehrforschung (R). An den Universitäten Bochum und Hamburg (T?) gibt es das Fach (R?)."
Kritisch ist hier die Bedeutung von "das Fach" im jeweils zweiten Satz. In Satzfolge a) ist das klar: "Das Fach" ist die Sprachlehrforschung. Satzfolge b) ist inhaltlich nicht eindeutig: Ist "das Fach" hier die Sprachlehrforschung oder vielleicht ein anderes Fach, über das im folgenden etwas gesagt wird? Die Unsicherheit entsteht durch widersprüchliche Grammatik: Einerseits der bestimmte Artikel "das", der üblicherweise ein Thema einleitet, andererseits die Endstellung im Satz " ... gibt es das Fach", die üblicherweise dem Rhema vorbehalten ist. Kleiner Hinweis: In der Sprechsprache kann man den Widerspruch auflösen, indem man das Verb durch Betonung zum Rhema macht: "An den Universitäten Bochum und Hamburg gibt es (R) das Fach" (... solange die Kultusbürokratie dafür Geld gibt). Damit hat man allerdings eine ganz andere Satzbedeutung.
Textgrammatik
Es gibt in jeder Sprache grammatische Merkmale, die dazu dienen, Texte zu gliedern und zu strukturieren. Dies kann in zweifacher Weise erfolgen. Die grammatischen Merkmale
- dienen dazu, Kohärenz explizit zu markieren.
Zu diesen Grammatik-Strukturen gehören der Artikel, Personal- und Demonstrativpronomen, Konjunktionen, Tempus-, Modus- und Aspektwahl sowie Adverbien und Partikel, die deiktische, temporale, lokale oder "logische" Beziehungen markieren. Beispiel
- Oder sie dienen dazu, den Informationsgehalt von Äußerungen zu verdichten.
Zu diesen Grammatikstrukturen gehören in vielen Sprachen Verbal- und Nominalkonstruktionen, die Nebensätze ersetzen: Gerundium, Partizipial- und Infinitiv-Konstruktionen, ferner Appositionen, Attribute und Nominalisierungen. Beispiel
Kohärenz-Merkmale werden in mündlichen Diskursen wie in schriftlichen Texten verwendet, Verdichtungsprinzipien sind charakteristisch für die Schriftsprache. Das Schreiben anspruchsvollerer fremdsprachiger Texte, insbesondere in formellen Textsorten, setzt die möglichst gute Beherrschung dieser textgrammatischen Strukturen voraus. Sie können in eigens konzipierten Schreibaufgaben geübt werden.
Beispiele für Kohärenz
Kohärenzstiftung durch Pronomina:
"Hans und Eva haben kürzlich geheiratet. Er studiert noch, sie verdient schon Geld und kann ihn unterstützen. IhrLeben hat damit eine neue Wendung genommen."
In diesem Text gibt es eindeutige Textbezüge (er —> Hans; sie —> Eva; ihn —> Hans) und einen mehrdeutigen: Mit "ihr Leben" kann sowohl das Leben von Eva gemeint sein als auch das gemeinsame Leben beider.
Kohärenzstiftung durch verschiedene sprachliche Mittel:
Gestern habe ich(1) meinen(1) Freund Stefan(2) in München(3) getroffen. Er(2) lebt dort(3) in einer Wohngemeinschaft(4) in Schwabing(5). Das Viertel(5) ist so teuer geworden, dass man Wohnungen zum Alleinwohnen nicht bezahlen kann. Die anderen(1) Mitglieder der WG(4) sind auch(2) Studenten. Stefan(2) studiert in München(3) Maschinenbau(6). Das(6) ist ein Fach(7), das(7) er(2) sehr spannend findet. Wenn er(2) mir(1) davon erzählt, verstehe ich(1) kein Wort.
In diesem Beispiel sind alle sprachlichen Formen, die den gleichen Referenten (Person, Ort, Sachverhalt) haben, mit der gleichen Zahl indiziert. Man sieht daran, dass Kohärenz durch verschiedene sprachliche Mittel sichergestellt werden kann: vor allem durch (Personal-, Demonstrativ-, Relativ-, Possessiv-)Pronomen, aber auch durch Adverbien und durch lexikalische Wiederholung bzw. variierende Wiederaufnahme.
Beispiel für Verdichtung
Nachdem er zu Hause ankam, ging er ... —> Zu Hause angekommen, ging er ... —> Nach seiner Rückkehr ging er ... —> Der soeben Zurückgekehrte... ging ...
Er ist zwar fleißig, aber er hat wenig Erfolg. —> Obwohl er fleißig ist, hat er wenig Erfolg. —> Fleißig wie er ist, ... —> Bei allem Fleiß ... —> Er ist, obwohl fleißig, wenig erfolgreich.
Verdichtungsserien dieser Art sind in vielen Sprachen nur in der Schriftsprache möglich, während die gesprochene Sprache logische oder temporale Bezüge eher durch Folgen von Hauptsätzen mit verbindenden Konjunktionen oder Adverbien ausdrückt.