„Vanitas und Gesellschaft“, Online-Konferenz, 9.-10.7.2020
Zur gesellschaftlichen und kulturellen Reflexion von Gegenwart lassen sich in unterschiedlichen Diskursfeldern Bezugnahmen auf das Motiv der ‚Vanitas‘ (Vergänglichkeit) feststellen. In Künsten, Popkultur und gesellschaftlichen Debatten wird es für kulturkritische Diagnosen eingesetzt. Aktualisiert werden Reflexionen über die Todesverfallenheit menschlichen Lebens, über Dekadenz und Eitelkeit oder das vergebliche Streben nach Glück, aber es kommen auch neue Themenfelder wie etwa Klimawandel oder Transhumanismus hinzu.
Im Fokus der interdisziplinären Tagung Vanitas und Gesellschaft stand die überraschende Virulenz eines ursprünglich christlichen und in der Frühen Neuzeit wirkmächtigen Konzeptes in Popkultur, Literatur, Musik und bildender Kunst. Untersucht wurde ferner die Bedeutsamkeit von Vergänglichkeitsvorstellungen für Soziologie, Theologie, Philosophie, Psychologie und Medizin. Diese Perspektiven auf das Thema ‚Vanitas und Gesellschaft‘ wurden in drei thematischen Sektionen zusammengeführt.
Am Donnerstag standen in der ersten Sektion „Kulturwissenschaftliche und gesellschaftliche Perspektiven“ zu Lebendigkeit, Vergänglichkeit und Sterblichkeit im Fokus. In einer thematisch anschließenden Abendveranstaltung las die Schriftstellerin und Literaturkritikerin Thea Dorn aus ihrem Roman Die Unglückseligen, der unter Adaption des Faust-Stoffes hochaktuelle Fragen zu Biotechnologie und Unsterblichkeitswünschen verhandelt.
Am Freitag widmete sich die zweite Sektion „Vanitas in Popkultur und Künsten“ und somit der Aneignung des Vanitas-Motivs zwischen spielerischer Ironie und tiefsinniger Melancholie. „Vergänglichkeit und Tod – Zeitdiagnosen“ war der Titel der dritten Sektion, in der Vanitas in Verbindung mit Krankheit, Alter und Tod in der Gegenwartsgesellschaft und ihren künstlerischen Medien untersucht wurde. Die Literaturwissenschaftlerin und Modetheoretikerin Barbara Vinken hat zudem am Abend in einer Keynote die Signifikanz der Vanitas in der Mode des Designers Alexander McQueen dargelegt.
Aufzeichnungen ausgewählter Vorträge
Thomas Macho: Das Zeitliche segnen: Abschied von der Unsterblichkeit
Johannes Grössl: Der bleibende Wert der Sterblichkeit vor dem Hintergrund christlicher Anthropologie und transhumanistischer Utopie
Christoph Rehmann-Sutter: Phänomenologische Überlegungen zur lebendigen Präsenz und zum Tod
Julia Catherine Berger: Flowers lost in time. Ori Gersht und das barocke Vanitas Stillleben
Belinda Grace Gardner: Im Ausnahmezustand. Festhalten des Flüchtigen im Dauerspektakel beschleunigter Bilderfluten
Johanna Zorn: Spiel um Zeit und Arbeit am Archiv in theatralen Todesreflexionen der Gegenwart
Martin Butler: „Alles nur Schall, alles nur Rauch“: Wie Popmusik über (ihre) Vergänglichkeit nachdenkt
KEYNOTE Barbara Vinken: Vanitas Vanitatum Alexander McQueen