Lernerperspektive
Übungen aus der Lernerperspektive
Zu oft werden Übungen nur aus der Lehrperspektive betrachtet und die Lerner auf reizverarbeitende Komponenten reduziert, die im Idealfall dieselbe Übung immer gleich lösen. Genauso wie die Lerner bezüglich ihrer kognitiven und affektiven Faktoren variieren, unterscheidet sich die Art und Weise, wie sie Aufgaben bearbeiten. Der lernerseitige Umgang mit Übungen ist höchst individuell und damit können auch das Lösungsergebnis und Lernergebnis sehr unterschiedlich ausfallen. Nur ein Prozessmodell, das die Aufgabenbearbeitung als eine Art Interaktion zwischen Übung und Lerner auffasst, berücksichtigt neben der Übung auch die lernerseitigen Einflussfaktoren.
Das Modell ist Börner (1999: 215) – dort ist auch eine eingehende Erläuterung nachzulesen – entnommen und geringfügig erweitert worden.
In Rahmen Ihres schulischen und außerschulischen Fremdsprachenlernens haben Sie gewisse Erfahrung im Umgang mit Übungen gemacht. Diese Erfahrungen drücken sich in sog. Subjektiven Theorien über Lernaufgaben, Sprachwissen und mögliche Lösungsstrategien aus. Ebenso verfügen Sie über ein bestimmtes Alter, eine bestimmte Sprachlerneignung ("Begabung") und verfolgen einen bestimmten Lernstil, also Eigenschaften, die unter dem Begriff Lernerpersönlichkeit zusammengefasst werden. Lernerpersönlichkeit und Subjektive Theorien werden als generelle Einflussfaktoren bezeichnet, also als Faktoren, die über einen längeren Zeitraum relativ konstant bleiben. Sie müssen noch durch sog. lokale Faktoren wie Ihre Einstellungen, Ihre Strategische Kompetenz und Ihr Sprachwissen ergänzt werden, die stärker von der jeweiligen Situation und den Anforderungen abhängig sind. Unter Einstellungen versteht man Ihre Haltung gegenüber der Aufgabe (gut-schlecht; nützlich-nutzlos; usw.) und Ihre Motivation. Die Strategische Kompetenz steht für Ihren Einsatz von Aufgabenbearbeitungs- und Lernstrategien und das Sprachwissen für die jeweils aktivierten Wissensformen.
Wichtig scheint, dass neben der Lernaufgabe und der Instruktion (Unterricht, Anweisungen des Kursleiters) Sie als "Aufgabenbearbeiter" einen großen Einfluss auf das jeweilige Lösungs- bzw. Lernergebnis haben. Wenn Sie also unausgeschlafen sind, die Übungen in Eile lösen, das Bearbeiten von Übungen überflüssig und die konkrete Aufgabe blöd finden, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass Sie viel bei der Bearbeitung lernen. Wenn Sie stattdessen motiviert sind, sich Zeit für die Bearbeitung lassen und bei Problemen evtl. ein Hilfsmittel (Grammatik, Wörterbuch) zur Hand nehmen, steigt die Chance durch die intensive Auseinandersetzung mit der Aufgabe verstärkt zu lernen. Durch Ihre Arbeitsweise, d.h. durch die Zuteilung von Zeit und Aufmerksamkeit und durch den Einsatz von entsprechenden Strategien, können Sie also das Lösungs- oder Lernergebnis optimieren.