Abgeschlossene Promotionsprojekte
Belqis Aimaq: Konzept eines framebasierten Online-Lernerlexikons für das Sprachenpaar Deutsch-Dari
Im Rahmen des Promotionsvorhabens wird ein Konzept für ein framebasiertes Online-Lernerlexikons für das Sprachenpaar Deutsch-Dari entwickelt. Ziel ist es, dabei eine Ressource für Lernende auf der Kompetenzniveaustufe B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen zu erstellen. Die Arbeit untersucht, welche Arten von lexikalischen und grammatikalischen Informationen in einem Lernerlexikon auf der Basis von Frame-Semantik enthalten sein sollen. Das Lernerlexikon dient einerseits dazu, Kenntnisse über die Bedeutung von deutschen Wörtern auf der Grundlage von Frames aufzubauen und andererseits allgemeine Probleme zu lösen, die mit deutschem Vokabular und Grammatik im Gegensatz zu Dari stehen. Beginnend mit einer theoretischen Betrachtung der Begriffe "Lexikologie und Lexikographie" und "Frame-Semantik", sowie mit Theorien des Fremdsprachenlernens, wird die Relevanz eines framebasierten Lernerlexikons für die Deutschlernenden beim Erlernen der Bedeutung neuer Wörter abgeschätzt. Hierfür wird das framebasierte Lernerlexikon mit traditionellen Wörterbüchern verglichen und durch Umfragen in Sprachkursen evaluiert.
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften / DAAD-Forschungsstipendium
- Betreuung: Prof. Dr. Heike Zinsmeister
- Kontakt: belqis.aimaq"AT"studium.uni-hamburg.de
Mohammed Wesam Amer: War reporting in the press: A comparative analysis of Middle East wars
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
Melanie Andresen: Stilistische Variation in der deutschen Wissenschaftssprache
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich die stilistische Variation in der deutschen Wissenschaftssprache mit besonderem Fokus auf Variation innerhalb einer Disziplin oder zwischen eng verwandten Disziplinen. Zu diesem Zweck erstelle und analysiere ich ein Korpus aus linguistischen und literaturwissenschaftlichen Dissertationen. Die Analyse erfolgt zunächst stark datengeleitet durch N-Gramm-Analysen auf Ebene von Wortformen und Wortarten-Tags. Ziel ist eine quantitativ begründete Typologie wissenschaftlicher Schreibstile, die für die Instruktion von Lernenden der deutschen Wissenschaftssprache genutzt werden kann.
- Betreuung: Prof. Dr. Heike Zinsmeister
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
Beilei Rao: Cultural Interplay: Brecht's Epic Theater between Germany and China
Ewelina Benbenek: Widerständige Poetik des Postmigrantischen in Theatertexten des 21. Jahrhunderts
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik, Neuere deutsche Literatur/Theaterforschung
Anne Benteler: Sprache im Exil. Mehrsprachigkeit und Übersetzung als literarische Verfahren bei Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh
Das Promotionsprojekt untersucht Sprachkonstellationen in der Literatur des Exils seit 1933 aus NS-Deutschland und dessen Nachleben. Der Analysefokus liegt dabei auf Formen mehrsprachigen Schreibens und Übersetzungen in den Texten von Hilde Domin, Mascha Kaléko und Werner Lansburgh. Im Zuge zahlreicher neuer Impulse in der Exilliteraturforschung ist der Aspekt der Sprache immer noch erstaunlich wenig erforscht, wenngleich es sich um ein seit langem wiederholt formuliertes Desiderat handelt. Das Forschungsvorhaben will dessen Bearbeitung vorantreiben, indem es sich auf Konzepte von Muttersprache und Nationalsprache, Textphänomene wie Code-Switchings, Sprachmischungen sowie Formen von Übersetzung richtet. Forschungsleitend ist die Frage nach literarischen Entwürfen von Translingualität, Transkulturalität und Transnationalität durch mehrsprachige Schreibweisen. Methoden der Literaturwissenschaft und Mehrsprachigkeitsforschung werden dazu um Perspektiven der Übersetzungs- und Kulturtheorie erweitert. Ziel ist es, anhand des zu untersuchenden Textkorpus literarische Charakteristika des Exils aus NS-Deutschland und dessen Nachleben jenseits national(philologisch)er Festschreibungen herauszuarbeiten und Analysekategorien zu entwickeln, die eine vergleichende Betrachtung ermöglichen.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff und Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Landesgraduiertenförderung Hamburg (HmbNFG) (2014-2016), Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften (2016-2017)
- E-Mail: anne.benteler"AT"studium.uni-hamburg.de
Babette Bernhardt: Die chinesische Literatur in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
Die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Volksrepublik China begannen im Jahr 1949 und waren geprägt von weitgehender ideologischer Übereinstimmung, politischer Sympathie und Solidarität. Ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Beziehungen war der Austausch von Literatur, als eine der wichtigsten Vermittlungsinstanzen der chinesischen Kultur in Ostdeutschland - ein bisher weitgehend unbeachteter Aspekt der bilateralen Zusammenarbeit. Vor dem Hintergrund, dass literarische Übersetzungen immer das Ergebnis politisch-ökonomischer und soziokultureller Prozesse sind, folgt die Erforschung der chinesischen Belletristik in der DDR einem transdisziplinären Ansatz. Im Mittelpunkt des Dissertationsprojekts steht die Analyse der historischen Rahmenbedingungen und ihrem Einfluss auf die Publikations- und Übersetzungsprozesse. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf den ÜbersetzerInnen aus dem Chinesischen, über deren Leben und Wirken bis heute nur wenig bekannt ist. So ist es das Ziel, einen umfassenden Überblick über die Geschichte der chinesischen Literatur in der DDR zu geben. Diese Zusammenschau soll nicht nur zu einem erweiterten Verständnis der Beziehungen zwischen der DDR und der VR China beitragen, sondern auch die Rolle von Literatur und Translation in sozio-politischen Kontexten im Allgemeinen und in den ostdeutsch-chinesischen Beziehungen im Speziellen in den Fokus der Betrachtungen rücken. Zudem sollen Aspekte der Translationspolitik- und kultur anhand der Chinesisch-ÜbersetzerInnen beispielhaft untersucht werden, um das noch unvollständige Bild der LiteraturübersetzerInnen im politischen und kulturellen System der DDR zu ergänzen.
- Betreuer: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Seit 2017 Stipendiatin im Doktorandenkolleg China in Europe, Europe in China: Past and Present, Graduiertenschule Geisteswissenschaften
- E-Mail: babette.bernhardt"AT"studium.uni-hamburg.de
Florian Busch: Schreibrepertoires von Jugendlichen. Kontexte, Formen, metasprachliche Reflexionen
In meinem Promotionsprojekt untersuche ich die Ausdifferenzierung von geschriebener Sprache im Alltag von Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahren. Aufgrund der mittlerweile fast ausnahmslosen Ausstattung mit Smartphones sowie der hohen sozialen Relevanz digitaler Kommunikation, ist die Schriftlichkeit von Jugendlichen nicht mehr an den institutionellen Kontext der Schule gebunden, sondern diffundiert bis in den letzten Winkel des alltäglichen Lebens. Diese situative und soziale Ausdifferenzierung des Schreibens geht mit einer Fächerung von Schreibstilen einher. Solche Korrelationen von spezifischer Kommunikationssituation und der Wahl von bestimmten Ressourcen der geschrieben Sprache lassen sich als Schreibregister beschreiben. Mein Promotionsprojekt hat zum Ziel, die Beschaffenheit von Schreibrepertoires, also die Gesamtheit verschiedener Schreibregister, von Jugendlichen zu rekonstruieren. Hierfür werden zunächst alltägliche Situationen des Schreibens mit Hilfe einer Fragebogenuntersuchung identifiziert. Im Anschluss geben Textportfolien von 20 Jugendlichen, die authentische Texte aus verschiedenen Kommunikationssituationen enthalten, Einblick in die textuellen Realisierungen verschiedener Schreibregister. Die linguistische Analyse registerspezifischer Schreibformen anhand der Textportfolien soll dabei stets unter Einbezug der metasprachlichen Bewusstheit der Schreiberinnen und Schreiber selbst durchgeführt werden. So ist zu fragen, durch welches pragmatische Registerwissen bestimmte Schreibformen mit bestimmten Kommunikationssituationen verknüpft werden. Zu diesem Zweck werden mit ausgewählten Jugendlichen Fokusgruppeninterviews durchgeführt. Die Bezugnahme der verschiedenen Datentypen aufeinander soll schließlich ein differenziertes linguistisch und ethnographisch informiertes Bild der alltäglichen Schreibvariationen von Jugendlichen ergeben.
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik und am Institut für Medien und Kommunikation
- E-Mail: florian.busch"AT"uni-hamburg.de
Jasmin Centner: „Journey of no return“? Narrative der Rückkehr im Kontext von Gewalt und Vertreibung im 20. und 21. Jahrhundert
Das Dissertationsprojekt hat zum Ziel, die narrative Verhandlung der Rückkehr, der eine gewaltvolle Vertreibung vorhergegangen ist, zu untersuchen. Ist der Beginn des Exils mit dem Übertritt einer Grenze noch leicht zu datieren, richtet sich mit der Analyse der Rückkehrbewegungen der Blick auf die Dauer des Exils. Insofern dieses mit einer physischen Rückkehr meist nicht beendet ist, werden Konstellationen des Nachlebens von Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen in den Blick gerückt, die sich nicht auf den Zeitraum 1933–1945 und die Nachkriegszeit beschränken lassen. Dieser Gedanke schlägt sich im Textkorpus nieder, das Literarisierungen der Rückkehr thematisch und zeitlich von unterschiedlichen Perspektiven aus befragt. Die Texte sind dabei zunächst innerhalb des Kontextes der nationalsozialistischen Vertreibungs- und Vernichtungspolitik situiert. Diesen werden dann vergleichend Texte aus dem späten 20. bzw. frühen 21. Jahrhundert gegenübergestellt. Auf diese Weise wird der Dialog zwischen historischen Rekursen und aktuellen Entwicklungen geöffnet und überzeitliche Narrative von Rückkehr werden aufgespürt.
Forschungsleitend ist dabei die Frage, ob und auf welche Weise das Theorem der Rückkehr tradierte Konzepte von Heimat, Zugehörigkeit, Nation und Identität entautomatisiert und neu verhandelt. Dabei wird auch eine womögliche Verschiebung zentraler Begriffe wie Exil, Emigration, Immigration und Remigration mitgedacht, deren eindeutige Definition von der Rückkehrbewegung unterlaufen wird.
Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff, Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
E-Mail: jasmin.centner"AT"gmail.com
Akra Chowchong: Haltungen zur deutschen Sprache. Eine Analyse informeller Lerndiskurse in sozialen Medien
Akra Chowchong: Haltungen zur deutschen Sprache. Eine Analyse informeller Lerndiskurse in sozialen Medien
Meine Dissertation setzt sich mit multimodalen Metasprachdiskursen in sozialen Medien auseinander, genauer gesagt, mit Haltungen zur deutschen Sprache in informellen Lerndiskursen auf YouTube und Facebook. Digitale Plattformen wie diese ermöglichen Nutzern, selbstproduzierte Lerninhalte zu veröffentlichen, diese zu organisieren und nicht zuletzt Subjektivität einzubringen, etwa durch Sprachreflexionen, eigene Erfahrungen sowie parodische Darstellungen, wobei das Publikum ebenfalls durch die Interaktionsmöglichkeiten der Plattformen am Diskurs teilnehmen kann.
Im Einzelnen werden nicht-institutionelle Kanäle bzw. Seiten untersucht, die Lernangebote des Deutschen in Form von Text, Bild und Video publizieren. Die erste explorative Auswahl umfasst 5 Kanäle bzw. 30 Seiten. Den theoretischen Rahmen bilden die Sozio- und Diskurslinguistik einerseits und die Medienlinguistik andererseits: Die Online-Lerndiskurse werden anhand des soziolinguistischen Konzepts des stancetaking analysiert. Darunter ist ein öffentlicher, interaktiver, semiotischer Haltungsakt zu verstehen, bei dem ein Akteur ein Objekt bewertet, seine eigene Position ausdrückt und sich an bestimmten Ideologien und an anderen Kommunikationsakteuren ausrichtet. Parallel dazu wird das Augenmerk auf plattformspezifische Praktiken gerichtet, z. B. den Einsatz multimodaler Elemente und die digitale Organisation von Lerninhalten. Daraus ergeben sich die Fragen: Wie positionieren sich der Kanal- bzw. Seiteninhaber und das Publikum bei der Diskursteilnahme? Wie behandeln oder betrachten sie die deutsche Sprache bzw. bestimmte Aspekte der deutschen Sprache? An welchen Sprachideologien orientieren sie sich? Wie nehmen die Teilnehmer an Deutschdiskursen aufeinander Bezug? Inwiefern wird der interaktive und multimodale Charakter dieser Plattformen zur Haltungseinnahme nutzbar gemacht?
- Betreuung: Prof. Dr. Jannis Androutsopoulos
- Zuordnung/Förderung: Stipendium der Königin Sirikit
- E-Mail: akra.chowchong"AT"studium.uni-hamburg.de
Kevin Drews: Schreibszenen der Haltung
Autonomie und Heteronomie sind jene zwei Kategorien, in denen das Politische der Literatur von jeher gedacht wurde. In Zeiten gesellschaftlicher Desorganisation und Orientierungslosigkeit reagieren Schriftsteller bisweilen mit Verhaltenslehren auf diese traditionelle Dichotomie, durch die sie provisorische Handlungskonzepte und Lebensformen vorstellen. Sind Verhaltenslehren jedoch der einzige Modus, in dem der Schreibende auf diesen scheinbar unhintergehbaren Gegensatz reagieren kann?
Vor dem Hintergrund der neueren Schreibszenenforschung soll der Begriff der Haltung als Strategie der Selbstpositionierung konzeptualisiert werden, der diesen Gegensatz immer schon unterläuft. Haltungen werden dabei aber nicht jene unvermittelten Lippenbekenntnisse engagierter Gesinnungsliteratur genannt, die bloß eine souveräne Subjekt-Setzung zeitigen und sich als zentrierender Standpunkt darbieten. Diesem Souverän-Schreiben korrespondiert auf literaturwissenschaftlicher Ebene die Verengung der Untersuchung auf die immer schon vollzogene Wahl des engagierten Autors einerseits und auf das abgeschlossene literarische Werk andererseits. Haltungen sind indes vielmehr - zumal vor einem medientheoretischen Hintergrund - immer schon notwendigerweise mediatisiert und reflektieren insofern ihre technische/technologische Bedingung als Mittelbarkeit ihrer eigenen haltenden, experimentellen Probe im Schreibakt selbst. Daher geht das Promotionskonzept Schreibszenen der Haltung diesem Verhältnis von Medium und politscher Schreibszene jenseits der traditionellen Unterscheidungen von Autonomie/Heteronomie, Theorie/Praxis, Innen/Außen und Form/Inhalt nach und möchte zugleich mit der Konzeptualisierung der "Lehren der Haltung" ein alternierendes Angebot zur prominenten Verhaltenslehren-Forschung anbieten.
Diese Konzeptualisierung nicht-dichotomischer ästhetischer und theoretischer Schreibweisen vollzieht sich in der Koppelung mit einer je spezifischen Lebensform, deren wesentliches Moment in der Einsicht liegt, dass das Politische des Schreibens kein zu repräsentierendes oder zu verwaltendes Wissensobjekt innerhalb eines formierten Aussageregimes darstellt, sondern sich nur als literarische Aussage im Schreibakt selbst, i.e. in der ästhetischen Realisierung in actu, zeitigt.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
Rebecka Dürr: Stimme und Rhythmus: Live-Lyrik zwischen sprechkünstlerischer Gestaltung und Ereignis
Trotz zum Teil ähnlicher Eigenschaften wie Dynamik, Rhythmik und Metrik wird zumeist ‚Musik gehört‘ und ‚Lyrik gelesen‘. Jedoch besitzt das bloße Vorlesen und darauf aufbauend auch das künstlerisch artikulierte Wort eine klangliche Dimension. Seit der Jahrtausendwende wird der literarische Formenkanon zunehmend durch mündliche Darbietungen von Lyrik erweitert, die live präsentiert und darauffolgend u.a. digital distribuiert werden. Damit rückt die akustisch-performative Dimension ins Zentrum eines bisher vornehmlich schriftlich betrachteten Genres. Um der Vielfältigkeit der mündlichen Darbietungsformen lyrischer Texte gerecht zu werden, berücksichtigt das Dissertationsvorhaben sowohl die klassische Lyriklesung als auch etwas weniger formale Spoken-Word-Formate sowie die musikalische Umsetzung von Lyrik in Form von Rap-Darbietungen. Diese Formen stehen aufgrund der unterschiedlichen Ausprägung stimmlich-performativer Extravaganz in einer graduellen Beziehung zueinander.
Mit wenigen Ausnahmen gilt für fast alle mündlichen Darbietungsformen von Lyrik: Es sind zumeist die Autor:innen und Künstler:innen selbst, welche ihre Arbeiten stimmlich-sprecherisch, rhythmisch sowie performativ gestalten und darbieten. Daraus ergeben sich grundlegende Fragen nach der Erzeugung eines Authentizitätsversprechens, welches gegenüber dem Publikum eingehalten werden soll. Hierfür dienen unterschiedliche Strategien, welche sich auf verschiedenen Ebenen (Verhalten, Bühnenbild, Vermarktung etc.) identifizieren lassen. Lyriklesungen, Spoken-Word-Formate und Rap-Darbietungen weisen individuelle, wiederkehrende Abläufe, Regelwerke sowie Moderationen auf und ihnen liegt eine spezifische Räumlichkeit, Zeitlichkeit sowie ein performativer Ablauf zugrunde. Inwiefern dieser Ritualcharakter bzw. die Rahmung ebenfalls einen Einfluss auf die Authentizität der Autor:innen und Künstler:innen nehmen, ist ein weiterer Untersuchungsaspekt der Dissertation.
Im Fokus des interdisziplinär angelegten Projekts stehen die Teilbereiche Stimme, Rhythmus und Performance, welche sich im Hinblick auf die mündliche Präsentation lyrischer Texte in einem Spannungsfeld zwischen sprechkünstlerischer Gestaltung (einstudiert) und Ereignis (vermeintlich spontan) bewegen. Damit einhergehend werden Rahmungsaspekte, Inszenierungsstrategien und mögliche Authentizitätseffekte betrachtet, um sowohl grundlegende Aussagen über die Gestaltung der mündlichen Präsentation von Lyrik zu ermöglichen als auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Aufbau (des Auftritts und der mündlichen Umsetzung) der Darbietungsformen aufzuzeigen.
Folglich ist das Ziel dieses Dissertationsvorhabens die Zusammenführung von Methoden und Theorien aus den Bereichen der Literatur, Medien-, Musik-, Sprech- und Theaterwissenschaft, um zum einen die sprechkünstlerische Analyse von Lyrik zu etablieren und zum anderen den sprechwissenschaftlichen Diskurs zur mündlichen Präsentation von Lyrik zu erweitern.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung: Ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin im ERC-Projekt "Poetry in the Digital Age"
- E-Mail: rebecka.duerr"AT"uni-hamburg.de
Jascha Ebermann: Mythische Versprechen. Stiftung und Gefährdung von Gemeinschaft durch dramatische Wort-Gaben in Bearbeitungen antiker Mythen
Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit literarischen Verhandlungen des Sprechakts des ,Versprechens‘ in Situationen, in denen dessen gemeinschaftstiftende oder subjektkonstitutive Funktion zugleich als prekär erfahren wird - oder gar in ihr Gegenteil umschlägt. Dann werden die vermeintliche Identität des Subjektes mit sich selbst sowie die ethische, politische und juridische Ordnung mit Anderen erschüttert, zugleich aber ein neuer Raum der Begegnung eröffnet. Das Promotionsprojekt untersucht hierfür Erzähl- und Dramentexte, die dieses Dilemma ausgestalten und das ,Versprechen‘ in seiner erkenntnistheoretischen Tragweite und ethischen Auswirkung ästhetisch reflektieren. Eine Besonderheit des Projekts liegt in dem Bezug auf antike Stoffe, wodurch die Thematik eine zweifache Spiegelung erfährt: Einerseits dient die Hinwendung zu Kontexten vor der Entstehung des ,transparenten‘ Subjekts als Reflexionsmoment auf seinen Verlust, andererseits können die Stoffe für die Behandlung aktueller sprachphilosophischer Probleme nicht bruchlos assimiliert werden und bleiben auf produktive Weise ,fremd‘. Das Textkorpus besteht aus Aeschylos ,Prometheus‘, Ovids ,Phaethon‘ und ,Philomela‘, Platons dialogischem Text ,Kriton‘, dem sophokleischen ,König Ödipus‘ sowie Hans Henny Jahnns ,Medea‘ und Heiner Müllers ,Philoktet‘.
Für die Untersuchung dieser Texte stehen einerseits vor allem Akte des richtigen Deutens oder ,Lesens‘ mitsamt der darin implizierten Gefahr des ,Verlesens‘ im Vordergrund. Andererseits richtet sich das Interesse auf die Behandlung der ,Verantwortung‘ vor dem eigenen Sprechakt und die Möglichkeiten von Antworten auf die Ansprüche des Anderen, selbst wenn konstitutive Missverständnisse und fehlende Selbsttransparenz in den antiken Mythen ein autonomes, essentielles oder im juridischen Sinne verantwortliches Subjekt unterlaufen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: HmbNFG (2015-2017), Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften (2017-2018)
- E-Mail: Jascha.Ebermann"AT"studium.uni-hamburg.de
Nathalie Giele: Inszenierte Weltanschauung? Zur theologischen Relevanz des Gegenwartstheaters
Theater und Theologie hätten sich viel zu sagen, denn beide bieten (auf je eigene Weise) eine Auseinandersetzung mit Fragen nach Sinn und der Bewältigung von Kontingenz an, indem sie „Welt“ zur „Anschauung“ bringen. Beide arbeiten mit Transformationen und haben den Anspruch, „zeitgenössisch“ zu sein. Statt aber in den Dialog zu treten, stehen Theater und Theologie sich zumeist wie zwei Fremde schweigend gegenüber. Zentrales Grundanliegen des Dissertationsprojektes ist es daher – in Anlehnung an die theologische Auseinandersetzung mit anderen Kunstformen –, Theaterforschung und Theologie reziprok-dialogisch zusammenzuführen, so dass der beidseitige Gewinn einer Annäherung der beiden Größen ersichtlich wird.
Dies soll exemplarisch geschehen anhand des gesellschaftlich aktuellen Diskurses um Alterität. Alterität ist hier zu verstehen als Begegnung mit dem (ganz) Anderen, die „die Verknüpfung von Fremdheit und Eigenheit als Prozess und Erfahrung in eins fasst.“ Zum einen wurde Alterität als Fokus deshalb gewählt, weil sich Theater wie Theologie, wenn sie sich als zeitgenössisch verstehen, ohnehin dazu verhalten (müssen). Zum anderen kann Alterität aber auch das Verhältnis von Theater und Theologie beschreiben: trotz vieler Schnittmengen im Laufe der Geschichte haben sich die beiden Größen von einander entfremdet, könnten sich aber im Dialog heute – so die methodische Hypothese dieser Arbeit – als herausforderndes Anderes begegnen, das zur Weitung, Dynamisierung und Transformation der eigenen Perspektive befähigt. Das Thema Alterität leitet auch die Auswahl der zur Analyse ausgewählten Theaterproduktionen. Die in den Inszenierungen zutage tretenden Konzepte von Selbst- und Weltverhältnis, die auf der Bühne verhandelt werden, sowie die Art der Aushandlungen sollen eruiert und mit einer theologischen Anthropologie in ein Gespräch auf Augenhöhe gebracht werden: Wo werden christliche Menschenbilder und Weltanschauungen im Hinblick auf den Umgang mit Fremdheit und Andersheit anfragbar durch Gehalt und Form des theatral verhandelten Diskurses? Was hat die Theologie aber auch zu erwidern und wo könnte sie das Theaterschaffen durch ihren jeweiligen Ansatz der Diskursivierung bereichern?
Betreuung: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer und Prof. Dr. Christine Büchner
Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Promotionsstipendium des Cusanuswerks
Email: nathalie.giele"AT"studium.uni-hamburg.de
Sarah Goeth: Formen der Ähnlichkeit. Die Figur der Analogie als Denk- und Darstellungsform bei Novalis, Goethe und. A. Humboldt (Arbeitstitel)
Ziel der Arbeit ist es, entgegen Foucaults Annahme eines Endes des Ähnlichkeitsdenkens ab dem 18. Jahrhundert zu zeigen, dass gerade die Figur der Analogie im 18. und 19. Jh. eine neue Blüte erlebt. Die Analogie kann als Methode verstanden werden, Ähnlichkeiten zwischen entfernten Dingen aufzuspüren, weshalb sie in den Wissenschaften der Zeit dafür genutzt wurde, verfügbares oder noch aufzufindendes Wissen zu ordnen und über diese Anordnung fruchtbar für die Erkenntnis zu machen. Es wird zu zeigen sein, dass diese Wissensstrukturierung in den Naturwissenschaften auch Einfluss auf die narratologischen Darstellungsverfahren der Literatur genommen hat. Novalis, Goethe und A. Humboldt erproben in ihren Texten mittels der Analogie neue Erzählverfahren, die sich entgegen einer tradierten Kausallogik durch Reihenbildungen und Verweisverfahren auszeichnen. Im Zentrum der Analyse werden sowohl die naturwissenschaftlichen Arbeiten als auch das dichterische Werk der Autoren stehen, um den Transfer der Methode sichtbar zu machen und zu zeigen, inwieweit dieser eine einheitliche Struktur verschiedener Disziplinen, in diesem Fall von Wissenschaft und Kunst, gewährt, die entgegen den Ausdifferenzierungstendenzen der Zeit versucht, nochmals eine „Einheit der Natur“ zu gewährleisten.
- Betreuung: Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
- Zuordnung/Förderung: Ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
Maximiliane Gürth: Das protestantische Drama im 16. Jahrhundert. Zum Fortleben der mittelalterlichen Tradition des geistlichen Spiels in der Reformationszeit
Auch im Protestantismus der Frühen Neuzeit wirkten vorreformatorische Traditionen des geistlichen Spiels weiter, was in der frühneuzeitlichen Forschung immer noch wenig bekannt ist. Mit der Reformation fand das geistliche Spiel nicht sein jähes Ende, sondern lebte im protestantischen Raum in transformierter Form weiter. Der Charakter und das Verständnis der Spielveranstaltungen veränderten sich dabei grundlegend.
Das Dissertationsvorhaben rückt die Frage nach dem Umgang protestantischer Dramatiker und Theologen mit vorreformatorischen Traditionen in den Mittelpunkt des Interesses. Der besondere Fokus liegt dabei auf der Herausarbeitung von interkonfessionellen Phänomenen und heterogenen konfessionellen Konzepten im Bereich des protestantischen Dramas. Um eine interkonfessionelle Grenzüberschreitung in der Frühen Neuzeit markieren zu können, werden protestantische geistliche Dramen, vor dem Hintergrund der Rezeption mittelalterlicher Tradition, auf transkonfessionelle Elemente und interkonfessionelle Strukturen hin untersucht. Dafür werden primär lutherische aber ebenso römisch-katholische Deutungstraditionen berücksichtigt und analysiert. Mit Blick auf das Forschungsanliegen des Graduiertenkollegs wird somit der zentralen Frage nachgegangen inwiefern interkonfessionelle Austauschprozesse, Wechselwirkungen und Angleichungsphänomene nachzuweisen sind.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn, Prof. Dr. Johann Anselm Steiger
- Zuordnung/Förderung: Kollegiatin des Graduiertenkollegs Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit
- E-Mail: maximiliane.guerth"AT"uni-hamburg.de
Sarah Ihden: Relativsätze im Mittelniederdeutschen. Korpuslinguistische Untersuchungen zu Struktur und Gebrauch
Abschluss im September 2019 mit der Gesamtnote „summa cum laude“
Rabea Kleymann: Formlose Form. Epistemik und Poetik des Aggregats beim späten Goethe
Johann Wolfgang von Goethes naturwissenschaftliches und literarisches Spätwerk lässt sich als Ausdruck der Krise des Systembegriffs deuten. Während der Systembegriff Relationen zwischen Teilen in einem Ganzen unter einer Idee beschreibt, meint das Aggregat einen Typus von Einheit durch Zusammensetzung von Vielheit. Merkmal des Aggregats ist ein Nebeneinandersetzen heterogener, sich lediglich von außen berührender Elemente, die auch nach dem Eintritt in das Aggregat ihre Selbstständigkeit bewahren.
Goethes Spätwerk, so die These der Arbeit, stellt den Versuch dar, sich im Rückgriff auf das Aggregat vom Systemdenken und den daraus resultierenden Repräsentationsformen zu lösen. Dabei dient das Aggregat nicht nur als Reflexionsfigur der morphologischen Tätigkeit, dessen Gegenstandsbereich zunächst die Natur ist, sondern wird zum genuinen Organisationsprinzip der späten literarischen Projekte. Insbesondere im West-östlichen Divan (1819), Wilhelm Meisters Wanderjahren oder Die Entsagenden (1829) und Faust. Der Tragödie Zweiter Teil (1832) treten aggregatartige Repräsentationsformen durch Figurationen der Häufung in Erscheinung. Wie gezeigt werden soll, bilden die drei Spätwerke eine Experimentalreihe, die nicht nur über die drei Gattungen Lyrik, Prosa und Drama hinweg, das Aggregat als ein leitendes Ordnungsprinzip erproben, sondern nach der ‚In-Form-Setzung‘ der modernen Gesellschaft fragen. In Goethes Werken treten unterschiedliche Vorstellungen einer gesellschaftlichen Mannigfaltigkeit und Vielheit auf, die nicht in starren Gesellschaftssystemen oder Regierungsformen beschrieben werden können. Der Prozess der Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft setzt eine inkommensurable Komplexität der sozialen Wirklichkeit frei, die sich einer begrifflich-logischen Erfassung sowie einer sinnlichen Wahrnehmung weitgehend entzieht. Goethes Spätwerke beschreiben damit den Moment einer noch nicht gesetzten Formgebung der modernen Gesellschaft. Im Rahmen des Dissertationsprojekts soll daher untersucht werden, wie sich gesellschaftliche Organisation und soziale Verlaufsformen als bewegliche Ordnung oder als aggregatartige Verbindung denken lassen.
- Betreuung: Prof. Dr. Cornelia Zumbusch
- Zuordnung/Förderung: Projektmitarbeiterin "eFoto"
- E-Mail: rabea.kleymann"AT"uni-hamburg.de
Markus Köberlein: Kontingenz und Zeitlichkeit. Modernitätsreflexionen im Werk Friedrich Schillers
Im Rahmen des Dissertationsprojektes sollen bestimmte die um 1800 beginnende Moderne prägende Merkmale im Werk Friedrich Schillers identifiziert und theoretisch reflektiert werden. Ausgehend von einem sozialwissenschaftlichen Modernebegriff werden dabei Schillers Beschreibungen und Reflexionen der gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse seiner Zeit in den Fokus genommen. Als zentrale Analysekategorien dienen dazu unter Rückgriff insbesondere auf Niklas Luhmann die Begriffe ‚Kontingenz’ und ‚Zeitlichkeit’. Darüber hinaus sollen im Rahmen des Dissertationsprojektes die von Schiller auf verschiedene Weisen thematisierten Phänomene ‚Gestaltbarkeitskontingenz’, ‚Widerfahrniskontingenz’‚ ‚Mehrfachmodalisierung’ und ‚Temporalisierung’ untersucht und ihre Auswirkungen auf die Konstituierung von moderner Subjektivität in dessen historischen, ästhetisch-philosophischen und literarischen Schriften nachgezeichnet werden. Ziel dieses Vorgehens ist es, die im Werk Schillers vorgenommene Dimensionierung der (Un-)Möglichkeit modernen Denkens, Erlebens und Handelns sichtbar zu machen und in den literarisch-philosophischen Modernediskurs um 1800 einzuordnen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: markus.koeberlein"AT"gmx.net
Sophie König: Das Triptychon in der Gegenwartsliteratur
In der europäischen Gegenwartsliteratur lässt sich eine Bezugnahme auf das Triptychon verzeichnen, die in der Literaturwissenschaft bisher unbeachtet blieb. Dabei ist das Triptychon in den Texten nicht bloßer Gegenstand der Beschreibung oder wird als literarisches Motiv inszeniert, sondern fungiert als Form und Erzählstruktur. Das Promotionsvorhaben soll die Bedingungen, Implikationen und Strategien dieser literarischen Auseinandersetzung mit einem Format der bildenden Kunst herausarbeiten, um so die zentralen Funktionen des Triptychons in der Literatur der Gegenwart freizulegen: nämlich ein Erzählmodel des ‚Scharniers’, das ein Nebeneinander von Handlungssträngen und Epochen als Gleichzeitigkeit erlaubt, die Akzentuierung einer Leerstelle, die mit der Neubesetzung einer vormals eindeutig religiös bestimmten Mitte einhergeht, und schließlich die poetische Repräsentation des Triptychons als Kultobjekt im postmodernen Kontext. Hierzu sollen sowohl dramatische Texte von Max Frisch, Heiner Müller, W. G. Sebald und Tankred Dorst als auch Prosatexte von Claude Simon, W. G. Sebald und Antonia S. Byatt untersucht werden.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Förderung: Studienstiftung des deutschen Volkes, Landesgraduiertenförderung 2017-2018
- Email: sophie.koenig"AT"studium.uni-hamburg.de
Linda Krenz-Dewe: Körper – Gedächtnis – Geschlecht. Transgenerationale Traumata und brüchige Identitätskonstruktionen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur jüdischer Autorinnen
Das Promotionsprojekt analysiert aktuelle Texte junger jüdischer Autorinnen (Ramona Ambs, Vanessa F. Fogel, Olga Grjasnowa, Katja Petrowskaja, Julyia Rabinowich, Channah Trzebiner) in Bezug auf Aspekte und Schreibweisen der identitären Verortung, worin die Shoah als 'zentrales Erinnerungsereignis' einen übergeordneten Stellenwert einnimmt. Die Auseinandersetzung mit weiblicher und jüdischer Identität im deutschsprachigen, mehrheitlich nicht-jüdischen Kontext ist das zentrale Sujet der ausgewählten Erzählliteratur, was auf eine unsichere, auszuhandelnde Positionierung im gesellschaftlichen und auch literarischen Feld verweist. Die identitären Suchbewegungen verlaufen zwischen Selbstbe- und Fremdzuschreibungen sowie zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Zudem öffnet der postsowjetische Hintergrund einiger der Autorinnen die literarischen Identitätskonstruktionen in Richtung multipler transkultureller Zugehörigkeiten und Differenzen, was Fragen nach 'dem Jüdischsein' heute noch komplexer werden lässt.
Drei zentrale Gemeinsamkeiten, die zugleich Schwerpunkte der Analyse sind, weisen die Texte dennoch auf: a) die Erfahrung, eine - teils in mehrerlei Hinsicht - 'Andere' zu sein, ist die Grundlage der identitären Konstruktionen; b) das Gedächtnis der Shoah sowie Prozesse der Migration lassen die Texte identitätskonstitutive Topographien des Erinnerns entwerfen; c) der weibliche Körper ist nicht nur Ort vergeschlechtlichender Subjektivation, sondern auch Ort und Medium von (traumatischer) Erinnerung. Das mehrschrittige, diskursanalytisch, gedächtnistheoretisch und narratologisch perspektivierte Analyseverfahren folgt den vielfältigen Verweisungsstrukturen der Texte und zielt zugleich auf die Identifikation spezifischer erinnernder Schreibweisen - auch um diese im Verhältnis zur deutsch-jüdischen Literatur der ersten und zweiten Generation verorten zu können. 'Zwischenräume' der identitären Verortung in kultureller, sprachlicher und topographischer Hinsicht werden mithilfe des Bezugs auf Elemente der postkolonialen Literaturtheorie herausgearbeitet. Aufgrund der großen Nähe der Autorinnen-Biographien zu den textuellen Identitätskonstruktionen sind zudem Fragen der Autorschaft und Autofiktion von Relevanz für das Projekt, das sich in den Feldern der transkulturellen Germanistik als auch der kulturwissenschaftlich orientierten Jüdischen Studien verortet.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff, Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Graduiertenkolleg Vergegenwärtigungen (assoziiert)
Johanna Langmaack: Einnehmende Stoffe. Die Schrift als ‚pharmakon‘ in Theorie und Literatur des 20. Jahrhunderts
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung:
- E-Mail:
Jordis Lau: Strange Memories. Appropriating Literary Modernism in Media Art
This project is interested in the afterlives of modernist literature in the audio-visual arts.
Video art, experimental film, and moving image installation art frequently quote or allude to modernist prose and poetry. The concept of appropriation theoretically frames this practice as an interpretative strategy on the level of the artwork. Moreover, following Paul Ricœur, appropriation is understood as the hermeneutic encounter of the spectator with the artwork. Quite contrary to the etymology of appropriation, media art appropriates not by making familiar but rather by making strange: Media art appropriations do not transparently imitate their source as “a window onto another world” but foreground their opacity. The project is interested in the increased emphasis of the artworks’ materiality, the use of haptic images, and the construction of embodied spectatorship. The aesthetic strategies of media art can be accounted for with the Russian Formalist Viktor Shklovksy’s notion of estrangement. The term relates to forms and effects of defamiliarization and deautomatization – strategies that are also pertinent to modernist literature and early film. Estrangement, as proposed by Shklovksy, accounts for a certain aesthetic force that revitalizes perception to make recipients “see in a new light.”
The project further asks for the potential of a diachronic understanding of estrangement. From a perspective of intertextual dialogism, the appropriations circulate discourses across time and space. In so doing, contemporary audio-visualizations of literature from the first half of the 20th century open up a dialogue between past and present cultures. The project asks for the techniques used to remediate and update discourses, to invite spectators to re-read the texts, or to renegotiate the position of modernist “classics” in the canon; it furthermore addresses how modernism itself becomes a device to commemorate the past and shed light on the experience of the present. The appropriations circulate media art’s versions of modernism across national and cultural borders. The project investigates the implications of these repercussions in transcultural memory.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: DFG, Projektmitarbeiterin „Literarizität in der Medienkunst“ (bis 2018)
- E-Mail: jordis.lau"AT"uni-hamburg.de
Joris Löschburg: Das entfesselte Selbst. Figurationen transgressiver Subjektivität in der Moderne
Transgressive Subjektivität bezeichnet eine extreme Form ästhetischer Subjektivität, die sich von der Überschreitung individueller Sinnesschwellen bis zur ekstatischen Selbstvergessenheit in Wahn, Rausch oder erotischem Spiel entwickeln kann. Die Dissertation untersucht unterschiedliche Vorstellungen solcher Entgrenzungszustände in deutsch- und französischsprachiger Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Figurationen des entfesselten Selbst von komplexen Konnotationen durchdrungen sind, die von ästhetischen Anthropologien bis zu politischen Phantasien revolutionären Wandels reichen. Als hypothetische Entwürfe einer ‚Subjektivität auf der Schwelle’ stellen mediale Praxen der Selbstüberschreitung performative Gesten der (Selbst-)De(kon)struktion dar. In der Dissertation werden sie über ihre literarische Bedeutung hinaus als Technologien des Selbst (Foucault) und somit als bedeutende Praxisformen moderner Selbstbildung gelesen. Neben dem Anspruch, einen interdisziplinären Beitrag zur Bedeutung und Entwicklungsgeschichte des Entgrenzungsmotivs in der Moderne zu liefern, ergeben sich aus dem Programm der Dissertation zwei Forschungsschwerpunkte: Zu untersuchen ist erstens die brisante Ambivalenz zwischen aufgeklärtem Selbst, rationaler Subjektivierung und irrationalen Tendenzen, die sich in literarischen Transgressionsphantasien ausmachen lässt. Zweitens liefert die angestrebte Archäologie transgressiver Subjektivität einen Beitrag zur Rekonstruktion der performativen Wende. Von besonderer Bedeutung ist insofern, auf welcher historischen Grundlage, in Hinblick auf welche Ziele und mit welchen kulturellen Techniken, Figurationen transgressiver Subjektivität vorgestellt werden. Diese Fragen werden eng an die Analyse der sprachlichen Inszenierung von Transgressivität rückgebunden, um Charakteristika und Differenzen relevanter Positionen herauszustellen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Förderung/Zuordnung: Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes
- E-Mail: jloeschburg"AT"yahoo.de
Maraike Marxsen: Wilful Girls, Deviant Forms. Feminine Adolescence in the Experimental Films and Videos of Sarah Jacobson, Sadie Benning, and Jennifer Reeder
My dissertation investigates the works of three video artists and experimental filmmakers (Sadie Benning, Sarah Jacobson, Jennifer Reeder) who draw on literary genres such as autobiography and diary to deconstruct the representation of feminine adolescence in mainstream cinema. Of central concern are correlations between alternative aesthetics and alternative feminine identities. Associating adolescence, most general, with experiences of upheaval, estrangement, identity fragmentation and reformulation, I ask how this experience is translated into artistic expressions. Already the feminist film theory of second wave feminism considered the writings of Russian formalism to formulate a feminist aesthetics. My theoretical approach is thus informed by classic and contemporary feminist/queer (film) theory with a specific focus on the concept of ostranenie. Moreover, I use the neoformalist concept of ‘background’ to analyze how the translation of literary genres into media art affects both, the representation of feminine adolescence and generic conventions. In short: I am interested in the relation between deviant girls and deviant forms.
Februar – April 2016: 3-monatiger Forschungsaufenthalt in New York (gefördert durch ein Stipendium des DAAD)
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: DFG, Projektmitarbeiterin „Literarizität in der Medienkunst“ (bis 2018)
- E-Mail: maraike.marxsen"AT"uni-hamburg.de
Marc Matter: Sound Poetry in the Digital Age: New Media Technologies as Creative Tools for Exper-im¬ental Spoken Word
Das Promotionsprojekt untersucht das intermediale Feld der zeitgenössischen Sound Poetry bezüglich der Nutzung von (elektronischen und digitalen) Medientechnologien als Werkzeuge für die Produktion, anstatt diese nur als Mittel der Dokumentation und Distribution zu betrachten. Dabei folgt es einer Definition von Sound Poetry, die den Einsatz neuer Medientechnologien als produktionsästhetische Werkzeuge explizit fördert. Verschiedene medientechnologische Möglichkeiten, akustische Texte direkt zu manipulieren und so innovative künstlerische Arbeiten zu schaffen, werden in den Blick genommen, um das Potenzial von Medientechnologie für die Sound Poetry zu ermitteln. Experimentelle Dichter:innen wie Anja Utler, Dagmara Kraus, Jörg Piringer und Ian Hatcher schaffen Audiopoesie, die live aufgeführt und/oder auf CD, Vinyl, Kassetten, als Dateien oder aufgenommene Performances, als interaktive Apps und Web-Installationen vertrieben oder, spezifischer für diese Arbeit, als genuin elektroakustische Werke komponiert werden. Dabei werden neueste Medientechnologien wie Soundsoftware, digitale Klangeffekte, Sampler, Computertechnologie, KI und maschinelles Lernen produktionsästhetisch genutzt.
Ein Schwerpunkt liegt auf künstlerischen Arbeiten, die, wie von der Künstlerin Lily Greenham beschrieben, als „neo-semantisch“ klassifiziert werden können. Für die oftmals als asemantisch beschriebene Sound Poetry forderte Greenham eine Bewegung hin zu einer „gezielten Kommunikation“. Dazu werden spezifische Technologien wie Soundeffekte, Schnitt und Montage, Sampling, Online-Anwendungen und maschinelles Lernen und die damit zusammenhängenden künstlerischen Methoden untersucht, um zu zeigen, wie Künstler:innen mit Klang und (Audio-)Texten interagieren und so neue poetische Formen hervorbringen. Zu diesem Zweck werden ausgewählte Sound-Poems unter Anwendung von Methoden der neueren Literaturtheorie, wie beispielsweise „Close Listening“ (Charles Bernstein), der Sound Studies und der Medienwissenschaften analysiert sowie qualitative Interviews mit Künstler:innen geführt und ausgewertet.
Diese Arbeit wird zeigen, dass neuere Werke der Sound Poetry künstlerische Techniken fortsetzen und erweitern, die seit den späten 1950er Jahren entwickelt und als neue Medien und Klangtechnologien breiter verfügbar wurden. Die zentralen Forschungsfragen sind, wie diese neuen Technologien als künstlerische Mittel eingesetzt werden und inwieweit aus diesem Einsatz innovative ästhetische Formen entstehen. Wie sind diese neuen ästhetischen Formen zu bewerten, wie können sie für die literaturtheoretische Diskussion anschlussfähig gemacht werden und welcher konzeptionelle Rahmen ist dafür am besten geeignet?
Darüber hinaus wird das Verhältnis zwischen diesen zeitgenössischen Künstler:innen und ihren Vorläufer:innen im 20. Jahrhundert erörtert, von denen einige die produktionsästhetische Nutzung neuer Medientechnologien als konstitutiv für das Genre definiert haben. Generell wird die aurale Dimension von Lyrik betont, um den Status von Audiotexten als eigenständige literarische Kategorie zu festigen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung: ERC-Projekt "Poetry in the Digital Age"
- E-Mail: marc.matter"AT"uni-hamburg.de
Thomas Merten: Zeitgenössische Repräsentationen der Shoah in Graphic Novels
Der Comic ist ein wichtiges Medium zur Repräsentation der Shoah, da es sich jeglichen Realitätsanspruchs entzieht und somit eine ganz eigene Herangehensweise zur Darstellung des als undarstellbar Geltenden anbietet. Wenn es um den Holocaust in grafischer Literatur geht, ist schnell die Rede von Art Spiegelmans „Maus“. Zurecht gilt sie als Beispiel seriöser, anspruchsvoller Comics. In der jüngsten Rezeptionsgeschichte kam es allerdings zu einer Idealisierung von „Maus“, die vor allem neue Werke ausblendet. Daher soll es Ziel meines Dissertationsprojekts sein, eine Einordnung der neueren Graphic Novels in die moderne Erinnerungskultur mit Comicdiskursen bis heute vorzunehmen. Es stellt sich die Frage, welche Rolle internationale Comics bei der Holocaust-Repräsentation spielen. Dabei zeigt sich, dass keine kosmopolitische Einheit entsteht, sondern der transnationale Erfahrungsraum vor allem durch Differenz, also Heterogenität, geprägt ist. Die schlägt sich in den sich immer weiter ausfächernden Thematiken und Darstellungsformen in Comics nieder, die sich nicht mehr nur auf die Wiedergabe (auto-)biographischer Geschichte beschränken. Zu den neueren Formen der Vergegenwärtigung zählen zum Beispiel auch fiktionale und autofiktionale Titel. Die Neuerscheinungen und ihr Experimentiercharakter korrespondieren mit den weiterhin changierenden Strategien zur Darstellung historischer Realität und deren Stellenwert, auch im Hinblick auf den Umgang der Postmemory-Generationen mit dem Thema. Diese Entwicklung innerhalb eines für die avancierte Erinnerungskultur immer spannender werdenden Mediums möchte ich im Rahmen meiner Dissertation erforschen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Graduiertenkolleg Vergegenwärtigungen
- E-Mail: thomerten"AT"gmail.com
Sandra Narloch: Exil und Kosmopolitismus: Weltbürgerliche Narrative und kosmopolitische Perspektiven in literarischen Verhandlungen des Exils 1933-1945
Ein stetig wachsendes Interesse an transnationalen und transkulturellen Phänomenen hat dem Begriff des Kosmopolitismus im Zeitalter von Massenmigration und Globalisierung Disziplin übergreifend zu einer regelrechten Renaissance verholfen. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre lassen sich vor allem in der angloamerikanischen Forschung zahlreiche Bemühungen verzeichnen, einen ,Neuen Kosmopolitismus‘ als methodologisches Paradigma für den Umgang mit kultureller Differenz zu etablieren. Obwohl das Exil in diesem Zusammenhang als geradezu „paradigmatischer Ort“ für die Ausbildung eines „kosmopolitischen Blicks“ beschrieben wurde, gibt es bisher kaum Bemühungen, die literarischen Verhandlungen des Exils 1933-1945 zu den gegenwärtigen Auseinandersetzungen in Beziehung zu setzen. Indem die Untersuchung die im Exil entstandenen kosmopolitischen Identitäts- und Gemeinschaftsentwürfe in einen Dialog mit Konzepten eines ,Neuen Kosmopolitismus‘ treten lässt, verfolgt sie zum einen das Ziel, das kosmopolitische Paradigma für die literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung fruchtbar zu machen. Zum anderen verspricht sich das Projekt von der vergleichenden Analyse ausgewählter literarischer Texte innovative Erkenntnisse über das spezifische Verhältnis von Exil, Literatur und Kosmopolitismus.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: sandra.narloch"AT"studium.uni-hamburg.de
Judith Niehaus: Typographisches Verfremden – Verfremdete Typographie. Zur Ästhetik der Schrift in der deutschsprachigen Erzählliteratur der Gegenwart
In der deutschsprachigen Erzählliteratur trifft man seit einigen Jahrzehnten immer häufiger auf Werke, die typographische Effekte einsetzen. Mit diesem Phänomen möchte ich mich in meiner Dissertation aus verschiedenen Perspektiven beschäftigen. Einerseits interessieren mich die historischen, gesellschaftlichen und technischen Bedingungen, die potentiell der differenzierteren Verwendung von Schrift in Erzähltexten zugrunde liegen. Andererseits möchte ich mich – im Rahmen der Erzähltexte, in denen sie eingesetzt werden – mit den konkreten Verfahren beschäftigen, um sie mit Hilfe verschiedener Theorieansätze besser verstehen, beschreiben und nach Möglichkeit auch typologisieren zu können – ein Ansatz, der in der deutschen Forschungsliteratur bisher nicht verfolgt wurde. Das literaturwissenschaftliche Konzept, das dabei die Analysen leiten und rahmen soll, ist das der Verfremdung: Es geht um typographische Verfahren, die das, was geschrieben wird, die Art, wie geschrieben wird, oder sogar die Schrift selbst ‚fremd‘ machen – verfremden.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Studienstiftung des deutschen Volkes
- E-Mail: judith.niehaus"AT"yahoo.de
Catrin Prange: Sprechtexte. Nora Gomringers Poetik der konkreten Klanglichkeit
This PhD thesis aims to contribute to the research on contemporary German language poetry theory in general. In particular, it will provide an in-depth look at the work of Nora Gomringer, one of Germany’s most important young poets. Nora Gomringer’s poetic art is representative of new German poetry of the 2000s which is characterized by its specific mediality and has not yet been described and researched in terms of its multimodality. Gomringer writes, speaks, recites, performs and publishes her poetry in the form of “audio books” (poetry books with audio CD), poetry clips (on web video channels) and live performances. Having long since outgrown competitive poetry slam events, today Gomringer is a published poet, spoken word artist and reciter booked for both her poetic and for her elocution skills. With her “spoken texts”, Gomringer has established a whole new genre within the landscape of German poetry which largely eludes conventional literary analysis. Therefore, describing and analysing her „spoken texts“ requires using a range of theories from various disciplines.
Diese Dissertation soll einen Beitrag zur modernen germanistischen Lyriktheorieforschung im Allgemeinen leisten und im Speziellen das Werk Nora Gomringers, einer der bedeutendsten Nachwuchsdichterinnen deutscher Sprache, untersuchen. Dabei steht Nora Gomringers Dichtung stellvertretend für eine neue deutsche Lyrik der 2000er Jahre: eine Dichtkunst, die durch ihre spezifische Medialität auffällt und in ihrer Multimodalität noch nicht beschrieben und erforscht ist. Gomringer schreibt, spricht, rezitiert, performt ihre Werke. Sie präsentiert ihre Lyrik bei Live-Auftritten und veröffentlicht diese in Form von ‚Audio-Books‘ (Gedichtbände mit CD) und Video-Clips im Internet. Dem kompetitiven Veranstaltungsformat ‚Poetry Slam‘ entwachsen, wird Gomringer vor allem für ihre Lyrik und ihrer Vortragskunst wegen eingeladen. Als publizierte Lyrikerin, Spoken-Word-Poetin und Rezitatorin begründet Gomringer mit ihren „Sprechtexten“ ein neues Genre in der deutschen Lyriklandschaft, das sich der reinen literaturwissenschaftlichen Analyse jedoch weitgehend entzieht. Daher gilt es zur Beschreibung und Analyse der Sprechtexte Theorieansätze aus verschiedenen Disziplinen zu berücksichtigen.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: Catrin.Prange"AT"gmx.de
Malena Ratzke: Politische Rede in der Literatur des Mittelalters
Das Promotionsprojekt untersucht Formen und Funktionen politischer Rhetorik in fiktionalen Texten vom 12. bis 15. Jahrhundert. Vorwiegend höfische, ggf. aber auch nicht zum Kernbestand höfischer Epik zählende Texte sollen darauf befragt werden, inwiefern sie Eloquenz als Bedingung für erfolgreiche Herrschaft bzw. erfolgreiche gemeinsame Politik inszenieren. Das Untersuchungsinteresse richtet sich dabei zum einen auf die Darstellung von Redekompetenz einzelner Figuren, die – etwa in der Tradition der Alexanderromane – als eloquente Herrscher, Ratgeber oder Diplomaten präsentiert werden. Von der Analyse entsprechender Redeszenen ausgehend soll zum anderen das Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Formen symbolischer Kommunikation betrachtet werden, wobei besonders die Rolle von Rede im politischen Zeremoniell im Fokus steht. Eine dritte Fragerichtung zielt auf die poetologische Ebene der Texte. So können Szenen politischer Rede nicht nur als Beitrag der Verfasser zum politischen Diskurs verstanden werden, etwa in Form eines auf Beredsamkeit gründenden Herrscherideals; sie können auch programmatisch darauf ausgerichtet sein, dem Publikum die entsprechenden Fähigkeiten zu vermitteln, wie dies etwa von Konrad von Würzburg vertreten wird. Nicht zuletzt bieten die Szenen den Verfassern die Möglichkeit, ihr rhetorisches Können zu demonstrieren und ihre literarische Qualität zu beweisen.
Die Untersuchung knüpft an aktuelle Arbeiten im Bereich der Historischen Dialogforschung zu literarischen Redeszenen an und führt diese mit Ansätzen aus der historischen Oratorikforschung zusammen. Ziel ist es, den literarischen Diskurs über politische Rede sichtbar zu machen und auf Grundlage einer exemplarischen Auswahl von Texten Modelle zu seiner Beschreibung zu entwickeln.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Baisch
- Zuordnung: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik
- E-Mail: malena.ratzke"AT"uni-hamburg.de
Anabel Recker: Poetologische Reflexionen in der meisterlichen Lieddichtung des 14. und 15. Jahrhunderts
Regelwerke zur Poetik kennt das deutschsprachige Spätmittelalter noch nicht. Im Bereich der Lieddichtung entwickeln die Verbünde der Meistersinger im Verlauf des 16. Jahrhunderts in Form von Tabulaturen erste Ansätze für explizit festgeschriebene Regeln des Dichtens. Für die vorangegangene Phase der Sangspruchtradition, die meisterliche Lieddichtung, sind entsprechende Regularien hingegen nicht nachweisbar. Eine Poetik der meisterlichen Liedkunst des 14. und 15. Jahrhunderts kann daher nur implizit über die überlieferten Texte und Melodien erschlossen werden. Um dem poetologischen Selbstverständnis dieser Form von Lyrik näher zu kommen, möchte ich in meiner Arbeit ein Korpus von Liedern edieren, die in verschiedener Hinsicht auf den Prozess, die Methode, die Ziele und Aufgaben des Dichtens Bezug nehmen, wobei der Varianz der spätmittelalterlichen Texte nach Möglichkeit Raum gewährt werden soll. Im Untersuchungsteil der Arbeit sollen die immanenten poetologischen Prinzipien der im Editionsteil repräsentierten meisterlichen Lieddichtung sichtbar gemacht und analysiert werden. Ziel der Arbeit ist es, die immer noch häufig als ‚Übergangsphase‘ zwischen höfischer Sangspruchdichtung und städtischem Meistersang aufgefasste sangbare meisterliche Dichtung in ihrer Poetizität schärfer zu konturieren, besser zu durchdringen und auf anwendbare Kategorien und Begrifflichkeiten zu bringen.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: anabel.recker"AT"gmx.de
Sebastian Schirrmeister: Begegnung am anderen Ort. Narrative Deterritorialisierung in deutsch- und hebräischsprachiger Prosa aus Palästina/Israel nach 1933
Anliegen der Arbeit ist es, die von der deutschen Exilforschung bislang stets als „Sonderfall“ betrachtete deutschsprachige Literatur aus Palästina/Israel in ihrer Beziehung zur hebräischen Literatur zu untersuchen und so im breiteren Kontext jüdischer Literaturen zu perspektivieren. Neben Begegnung, Austausch und Übersetzungsbeziehungen zwischen Deutsch und Hebräisch schreibenden Autorinnen und Autoren stehen gemeinsame Lektüren ausgewählter Romane und Erzählungen im Zentrum, die anhand von Reise- und Fluchtnarrativen die zugrundeliegende Erfahrung der Migration nach Eretz Israel literarisch verarbeiten und dabei auf unterschiedliche Weise das zionistische Master-Narrativ der Rückkehr reflektieren und hinterfragen. Unter Bezugnahme auf Dan Mirons kontrovers diskutiertes, dynamisches Modell jüdischer Literaturen, das die imaginäre Kontinuität einer ‚normalen‘ Literaturgeschichte durch die Kontiguität heterogener Elementen innerhalb eines vieldimensionalen „Jewish literary complex“ ersetzen möchte, positioniert sich die Arbeit im Kontext der sich zurzeit in Israel, den USA und Deutschland entwickelnden German-Hebrew Studies.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik
- E-Mail: sebastian.schirrmeister"AT"uni-hamburg.de
Antje Schmidt: Welt im Verfall. Vanitas in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik
In den Künsten der Gegenwart ist bereits seit längerem eine Affinität zur ästhetischen Auseinandersetzung mit dem Barock zu verzeichnen. In der deutschsprachigen Lyrik zeigt sich diese insbesondere in einer Aneignung des Vanitas-Topos’ mit seiner opulenten Ästhetik sowie seiner spezifischen Semantik der Vergänglichkeit, Nichtigkeit und Scheinhaftigkeit der Welt. Die barocken Vanitas-Figurationen scheinen dabei in besonderer Weise dem Lebensgefühl konsumorientierter, westlicher Gesellschaften der Spätmoderne zu entsprechen, die, so die Hypothese des Dissertationsvorhabens, maßgeblich durch Erfahrungen einer zunehmenden Ästhetisierung des Realen, des steten Wandels und der Dekadenz, einer empfundenen Ohnmacht gegenüber Weltverläufen sowie einer Empfindung der Bedeutungslosigkeit und Vergeblichkeit der Existenz geprägt sind. Neufiguriert wird die barocke vanitas dabei wesentlich durch ihre künstlerische Einbettung in zeitgenössische Diskurse, wie etwa diejenigen zu Genderfragen, zum biologistischen Menschenbild der Moderne, zur Durchdringung aller Lebensbereiche durch Fortschritts- und Konsumlogik sowie zur Todesverdrängung. Die Dissertation hat daher zum Ziel, zeitgenössische Neufigurationen der barocken vanitas in der Gegenwartslyrik zu untersuchen, um zu beschreiben, wie sich das Welt- und Selbstverständnis der Gegenwart im Spiegel barocker Weltanschauung als ‚Späte Neuzeit‘ konstituiert. Hierfür werden einerseits die Formen der Aneignung des barocken Vanitas-Topos’ in der deutschsprachigen Gegenwartslyrik untersucht, wobei neben Lyrik, in der die vanitas diskursiv verhandelt wird, besonders performative Lyrik von Interesse ist, die sinnlich-ästhetische Erfahrungen der Vergänglichkeit inszeniert. Darüber hinaus wird untersucht, welche Funktionen die literarischen Rekurse auf diesen von christlichen (Heils-)Vorstellungen geprägten und traditionsgeschichtlich bedeutsamen Wissens-, Bild- und Motivbestand haben, wie etwa Gesellschaftskritik, Trost oder bewusste Abgrenzung.
Sarah Steidl: Fluchtlinien. Narrative von Entortungs- und Grenzerfahrungen in literarischen Texten des frühen 21. Jahrhunderts (Arbeitstitel)
Die deutsche Gegenwartsliteratur nimmt die aktuellen Dramen um Flucht inner- und außerhalb der ‚Festung Europa‘ sowie die politischen Debatten um Teilhabe der Geflüchteten an ‚unserer‘ Gesellschaft seismografisch auf. Immer mehr Autoren leihen dabei über ihre Figurengestaltung jenen eine Sprache, denen – nicht zuletzt aufgrund von Traumata – noch keine Sprache zur Verfügung steht. Das Promotionsprojekt macht es sich zur Aufgabe, Texte aus dem frühen 21. Jahrhundert zu Flucht und Vertreibung hinsichtlich ihrer Transformation des politischen in einen literarischen Diskurs zu ordnen. Welche ästhetischen Signaturen wählen die AutorInnen bei der Darstellung von Entortungs- und Grenzerfahrungen – welche Fluchtlinien zeichnen sie in ihren Texten? Gegenwärtig lässt sich konstatieren, dass zu dieser Thematik veröffentlichte Romane und Graphic Novels sich auf zweifache Weise auch den Geflüchteten selbst öffnen: Zum einen richten sich einige Texte durch mehrsprachige Schreibverfahren nicht mehr ausschließlich an eine deutschsprachige Leserschaft, zum anderen werden bestimmte Teile mancher Texte als von Geflüchteten geschrieben ausgestellt. Eine somit angedeutete ‚Co-Autorschaft‘ sowie die öffentlichen Autorenberichte über Recherchen in Flüchtlingslagern regen an, diese aktuelle ‚Flucht-Literatur‘ auch als Teil einer neuen Protokoll-Literatur zu rezipieren. Zudem sind immer wieder intertextuelle Referenzen zur ‚klassischen‘ Exilliteratur auffällig. Zwischen historischen Rekursen einerseits und dem Bemühen um größtmögliche Aktualität andererseits changierend, ist zu klären, inwiefern gegenwärtige Flucht-Narrative auch eine Gegenrede zu politischen Diskursen formulieren.
- Betreuung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr und Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Seit April 2016 Stipendiatin im Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften; 2015-2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Mercator-Projekt „Geteilte Erfahrung Migration im deutsch-türkischen und türkischen Film“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr); 2013 Stipendiatin in der vom DAAD geförderten „Germanistischen Institutspartnerschaft: Hamburg – Istanbul“ (Leitung: Prof. Dr. Ortrud Gutjahr).
- E-Mail: sarah.steidl"AT"uni-hamburg.de
Hannah Stollmayer: Das „Pop-Theater“ der 2000er Jahre: Massenmedien und Populärkultur auf den Bühnen des deutschsprachigen Stadttheaters
Im Jahr 2000 übernimmt Tom Stromberg die Intendanz des Schauspielhauses Hamburg und holt u. a. die Theatermacher Stefan Pucher, René Pollesch und Studio Braun, allesamt Vertreter des sogenannten Pop-Theaters, an das größte deutsche Sprechtheater. Die Populärkultur zieht in eine der letzten Instanzen der Hochkultur ein, wofür das Schauspielhaus 2005 von der Kritik zum „Theater des Jahres“ gewählt wird. Es ist evident, dass seitdem sowohl inhaltlich als auch strukturell massenmediale Phänomene aus der Populärkultur in den Theaterarbeiten der Gegenwart sehr präsent sind. Das Anliegen dieser Dissertation ist es, die bisher lediglich deskriptive Betrachtung des Pop-Theaters aus der Peripherie in das Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen zu holen und so eine bestehende Forschungslücke anzugehen. Diese Arbeit möchte dabei sowohl einen systematischen Beitrag zum Verständnis der theatralen Strategien im zeitgenössischen Theater leisten als auch eine der ersten Analysen bieten, die Pop als ein theatrales Konzept auffasst und darlegt. Anhand ausgewählter Inszenierungen seit 2000 bis zur Gegenwart gilt es, spezifische Methoden und Strategien im Hinblick auf die Verarbeitung von populärkulturellen Phänomenen zu analysieren sowie die Funktion dieser massenmedialen Pop-Phänomene für die bestehende Theaterlandschaft herauszustellen. Dies geschieht, indem vier in der zeitgenössischen Populärkultur vorherrschende Strukturelemente daraufhin untersucht werden, wie sie im Theater Verwendung finden: Eventisierung, Subjekt-konstitution, Inklusion/Exklusion, Transformation/Transgression. Dabei wird die These ver-folgt, dass Pop-Theater spezifische Problematiken und Diskurse der aktuellen Gesellschaft auf die Bühne bringt – z. B. das Streben nach Gemeinschaft bei gleichzeitiger Erfüllung hedonis-tischer Individualziele – und so einen rein strukturell ästhetischen Charakter überschreitet und das Theater als soziale Institution nutzt, sich folglich innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaftsstrukturen konstituiert und seine Funktion als reflektierendes Abbild der Gesellschaft wahrnimmt.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Schäfer
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
Carla Swiderski: Das Menschliche spiegelt sich im Blick der Tiere. Auflösung und Neudefinition des Menschen in der Exilliteratur
Wenn von Exil gesprochen wird, ist eine Extremsituation gemeint, die eine unfreiwillige Emigration nach einer existenziellen Bedrohung und einem gesellschaftlichen Ausschluss bezeichnet. Doch trifft der gesellschaftliche Ausschluss die meisten Exilierten nicht erst im Exil. Schon zuvor wurden sie zumeist auf sprachlicher, gesellschaftlicher und rechtlicher Ebene ausgegrenzt. Im NS-Staat wurde die verbale Diffamierung und öffentliche Diskriminierung der Verfolgten vor allem durch eine gezielte Analogisierung mit Tieren vollzogen, kombiniert mit bakteriologischer und rassistischer Terminologie. Wie reagierten die im Exil lebenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ihren Texten auf die Situation, dass sie in einer Sprache denken und schreiben, die dazu benutzt wurde, ihnen ihr Menschsein abzusprechen? Welche Auswirkungen haben die erlebte Diskriminierung und der gesellschaftliche Ausschluss auf das Selbstverständnis der Exilierten als Menschen? Werden gesellschaftliche Machtverhältnisse reflektiert sowie das Konzept der Mensch-Tier-Dichotomie als Teil dessen hinterfragt? Gibt es eine Kritik an der Gesellschaft, die zu alternativen Entwürfen führt? Von diesen Fragen geleitet wird in diesem Dissertationsprojekt die Konstruktion von ‚Mensch‘ und ‚Menschlichkeit‘ sowie die direkt damit verbundene Verhandlung des Mensch-Tier-Verhältnisses in deutschsprachigen literarischen und philosophischen Exiltexten untersucht, die Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Zuordnung/Förderung: Doktorandenkolleg Geisteswissenschaften
- E-Mail: carla.swiderski"AT"studium.uni-hamburg.de
Alan van Beek: Riesen in der Literatur des Mittelalters
Was ist ein Riese? Diese Frage lässt sich vermeintlich leicht beantworten: Er ist sehr groß. Darüber hinaus wird es mit der Typologie des Riesen aber komplexer: Im Ausgang des Mittelalters beginnen laut Hans Fromm die Konturen zwischen Helden und Riesen zu verwischen und zu einer „einzigen Vorstellung“ zusammenzuschmelzen. Beginnt dieser Prozess erst zu diesem Zeitpunkt oder ist er schon älter? Gibt es überhaupt eine klare Trennung zwischen Riese und Heros? Und hat man im Mittelalter an Riesen geglaubt? Die Untersuchung folgt allgemein der Leitfrage nach den Konzeptionen des Riesen in der christlichen, naturwissenschaftlichen und der literarischen Texttradition des Mittelalters. Je nach Text liegt eine seltsame Mixtur niederer Mythologie, biblischer Wahrheit und antiker Einflüsse vor. Wenn sich, wie erwartet, ein Mosaik unterschiedlicher Wahrnehmungen und Vorstellungen von Riesen in den Texten belegen lässt, wird sich die Arbeit gegenüber früheren Pauschalaussagen der Forschung durch eine differenzierte historisch-anthroplogische Analyse positionieren.
- Betreuung: Prof. Dr. Bernhard Jahn
- Zuordnung/Förderung: Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in am Institut für Germanistik
Wiebke Vorrath: Hörlyrik der Gegenwart. Theorie und Aisthesis auditiver Poesie in digitalen Medien
Das Phänomen der Hörlyrik hat in der germanistischen Lyrikforschung bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren. Dieses Dissertationsprojekt dient daher einerseits der Theorieentwicklung und andererseits der Erarbeitung von Analysemethoden für das Genre. Hörgedichte – lyrische Texte, die eingesprochen und auditiv rezipiert werden – sind als Schwellenphänomene zu begreifen: Sie sind zwischen Skripturalität und Oralität anzusiedeln, da sie schriftlich konzipiert, mündlich dargeboten sowie digital gespeichert und distribuiert werden. Eine angemessene Theoretisierung und Analyse des Untersuchungsgegenstandes erfordert einen interdisziplinären Ansatz, durch den Theoriekonzepte aus Medien- und Theaterwissenschaft (zu Mediatisierung, Intermedialität und Performativität) sowie aus Sound Studies und der Stimmforschung für die Untersuchung des hybriden Phänomens fruchtbar gemacht und in die Lyriktheorie integriert werden können. In einem induktiven Verfahren wird anhand von Hörgedichten von Lyriker*innen wie Bas Böttcher, Nora Gomringer, Albert Ostermaier und Cia Rinne erprobt, inwiefern die Ansätze Modifizierungen bedürfen und mit konventionellen Methoden der Lyrikanalyse verknüpft werden können. Daraus wird ein Analysemodell entwickelt, das abschließend in umfassenden Analysen Anwendung findet.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung/Förderung: Landesforschungsinitiative, Projektmitarbeiterin „Performing Poetry. Mediale Übersetzungen und situationale Rahmungen zeitgenössischer Lyrik" (2015-2017); Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik (2018)
- E-Mail: wiebke.vorrath"AT"uni-hamburg.de
Britta Wittchow: Über räumliche, zeitliche und sphärische Grenzen – Das diskursive Potential medialer Transgressionsprozesse in spätmittelalterlichen Liebes- und Abenteuerromanen
(Bis auf die Drucklegung Promotion abgeschlossen.)
In meiner Dissertation geht es um erzählte mediale Prozesse in den aufs späte 13. Jahrhundert datierten Texten Apollonius von Tyrland (Heinrich von Neustadt) und Reinfried von Braunschweig (anonym überliefert). Beide Texte verbindet neben inhaltlichen, erzählerischen und forschungsgeschichtlichen Ähnlichkeiten die Zuordnung zu der (durchaus umstrittenen) Textsorte ,Liebes- und Abenteuerroman ‘ und – so die ausschlaggebende Beobachtung – eine bestechende Fülle, Vielfältigkeit und Exzeptionalität an erzählten medialen Phänomenen. Sie stellen in vielfältiger Variation das Bemühen von Figuren um eine Formatierung von Informationen, die diese befähigt, Distanzen unterschiedlicher Art zu überbrücken, dar und zeigen damit ein ausgeprägtes Interesse dafür, wie Informationen Gestalt annehmen, zugänglich, mobil, oder stabil werden.
Medien lassen sich als Ergebnisse des anthropologischen Bemühens bezeichnen, die Grenzen, die die Beschränktheit des menschlichen Körpers der direkten Mitteilung setzt, zu überwinden. Literarische Darstellungen medialer Prozesse geben im Raum des Imaginären den Blick frei auf die im alltäglichen Gebrauch häufig unreflektiert bleibenden und kulturbildende Funktionen und Effekte medialen Handelns, die medialen Konventionen und denkbaren Möglichkeiten und Grenzen vermittelter Kommunikation.
Mit meiner Arbeit frage ich vor allem nach der Funktion solcher Darstellungen für den medientheoretischen Diskurs, den die Texte entfalten bzw. für die Diskurse, die mit Fragen der Medialisierung verknüpft sind. Daneben geht es auch darum, die beiden bislang kaum umgehend erforschten Texte in einer themenzentrierte Lektüre weiter aufzuarbeiten und die Fruchtbarkeit eines auf mediale Prozesse fokussierten Blickwinkels bei der Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Texten mit einem Seitenblick auf die Relevanz des Themenkomplexes für gattungstheoretische Diskussionen zu erproben.
Analysiert werden die einzelnen medialen Strategien (Botendienste, Brieftexte, Körpertechniken, Denkmäler, Loblieder, Gebete, Prophetien, Himmelszeichen, Träume und magische Objekte) jeweils vor dem Hintergrund der zentralen Herausforderungen, an denen die mediale Aufarbeitung arbeitet – dem entweder räumlich, zeitlich oder sphärisch differenten Status der Kommunikationspartner. Jede dieser Dimensionen birgt andere Herausforderungen, zeigt andere Möglichkeiten, markiert andere Grenzen und dementsprechend drängen sich jeweils andere Fragestellungen und Diskurse auf.
- Betreuung: Prof. Dr. Martin Baisch (Hamburg), Prof. Dr. Jutta Eming (FU Berlin)
- E-Mail: britta.wittchow"AT"uni-hamburg.de
Christian Wobbeler: Theatrum vanitatis. Barocke Vergänglichkeit, Flüchtigkeit und Schein in zeitgenössischen Theaterinszenierungen
Trotz der immer wieder konstatierten These der Todesverdrängung in westlichen Gesellschaften zeigt sich seit einigen Jahren vermehrt eine intensive Reflexion über Vergänglichkeit und Tod in den Gegenwartskünsten. Diese künstlerischen Auseinandersetzungen weisen sich dabei durch einen auffälligen Bezug auf den Vanitas-Topos des 17. Jahrhunderts aus. Das interdisziplinär angelegte Promotionsvorhaben widmet sich der Frage, inwiefern in zeitgenössischen Theaterinszenierungen von u.a. René Pollesch, Kay Voges und Antú Romero Nunes Bezugnahmen auf diesen frühneuzeitlichen Topos mitsamt seiner spezifischen Bildlichkeit und Semantik nachzuweisen sind und welchen mit dieser Wiederholung einhergehenden semantischen Reduktionen, Umdeutungen oder Entleerungen die Rekurse unterliegen. In sowohl semiotisch als auch phänomenologisch orientierten Aufführungsanalysen sollen dabei zum einen die intermedialen Bezugnahmen auf die aus der bildenden Kunst und Literatur stammenden Vanitas-Symbole wie zum Beispiel dem Schädel als visuelle Inszenierungsstrategien untersucht werden. Zum anderen sollen die durch die Verwendung ephemerer Theatermittel vollzogene Rematerialisierung von Vergänglichkeitssymbolen wie beispielsweise Rauch als intermaterielle Bezugnahmen, die eine selbstreflexive Zeitinszenierung und -erfahrung ermöglichen, im Fokus der Untersuchung stehen. Darüber hinaus wendet sich das Vorhaben auch solchen Inszenierungen zu, die eine Aktualisierung der dem Vanitas-Topos verwandten Theatrum-mundi-Metapher vornehmen und diese für eine kritische Reflexion der gegenwärtigen Inszenierungs-, Konsum- und Erlebnisgesellschaft instrumentalisieren. Eine Analyse aller genannten künstlerischen Strategien soll ferner zeigen, welche Rückschlüsse über den Umgang und die Reflexion über Tod, Vergänglichkeit aber auch Scheinhaftigkeit in der Gegenwartsgesellschaft gezogen werden können.
- Betreuung: Prof. Dr. Claudia Benthien
- Zuordnung: Ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Claudia Benthien
- E-Mail: c.wobbeler"AT"gmail.com
Philipp Wulf: Komisierendes Schreiben im Nach-Exil bei Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler
Der in der Exilliteraturforschung heute geläufige weite Exilbegriff, der nicht mehr nur die Texte von den aus Nazideutschland exilierten SchriftstellerInnen aus der Zeit zwischen 1933 bis 1945 umfasst, vermag es, bisher randständige AutorInnen in den Mittelpunkt des Interesses des Forschungszweigs zu rücken. Solche Texte, die die wiederbereiste Heimat als entfremdete oder verlorene behandeln, die somit die Erfahrung von Heimatverlust als definitiv beschreiben, markieren das Nach-Exil als ihren geografisch unspezifischen Entstehungsort. Eine Strategie zur literarischen Auseinandersetzung mit Entwurzelung sowie zur Entgegnung auf antisemitische Kontinuitäten stellt die Komik dar, derer sich in ihren Schreibweisen auf je verschiedene Art die drei österreichischen jüdischen Autoren Alfred Polgar, Albert Drach und Georg Kreisler bedienen. Ihr sonst heterogenes Werk, das von der Exilforschung erst noch erschlossen werden muss, weist ihren gemeinsamen Geburtsort Wien immer wieder als entfremdeten aus. In den äußerst verschiedenen Komiken der drei Autoren manifestiert sich zudem die generelle Problematik einer stringenten Komiktheorie, die mit Rekurs auf die Tradition des jüdischen Witzes, und unter Berücksichtigung der spezifischen historischen Situation diskutiert wird. Das Ziel der Forschungsarbeit besteht damit in der Erschließung der ästhetischen Strategie Komik vor ihrem (individual-)historischen Hintergrund des (Nach-)Exils.
- Betreuung: Prof. Dr. Doerte Bischoff
- Förderung: Landesgraduiertenförderung
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